Montag, 27. April 2009

Randnotiz: The Women

Ich kann nicht mehr: Nach fast vier Wochen mit den ersten 160 Seiten von The Women habe ich aufgegeben. Vielleicht ist es ein wirklich gutes, genau recherchiertes, detailliert geschriebenes Buch. Wahrscheinlich werde ich das nie herausfinden. Genauso wahrscheinlich werde ich auch nie herausfinden, wie es weiter geht und wie es endet. Aber: wenn die restlichen geschätzten 400 Seiten ähnlich interessant sind wie die ersten 160, hab ich mit Sicherheit nichts verpasst.

Woran lag's? Erklärungsversuche:

1. T.C. Boyle ist eigentlich eine sichere Bank, dachte ich. Die Bücher sind immer toll, America war toll, Dr. Sex war toll, Talk Talk war toll. Immer ein anderes Thema, immer ein anderer Stil, trotzdem der gleiche Autor, wer kann das schon. Was ich verdrängt hatte: So sicher ist die Bank nun auch wieder nicht. Grün ist die Hoffnung habe ich zwar nur schemenhaft in Erinnerung, sicherlich aber nicht als sensationelles Buch. Wassermusik mögen zwar viele Männer empfehlen, aber auch das habe ich nach sehr wenigen Seiten aufgegeben. Fazit: T.C. Boyle ist eine Wundertüte, aber so sieht er ja auch ein bisschen aus, oder?

2. Vielleicht lag es auch am schlechten Start in Kombination mit einem fulminaten Vorgänger: Nach zwei atemlosen Lesetagen beendete ich während des Heimfluges von Teneriffa nach Deutschland völlig ergriffen City of Thieves. Leider waren wir da noch nicht mal auf Flughöhe und noch vier Stunden zu füllen. Es gab keinen guten Film, die Frauenzeitschriften kannte ich schon, die Zeitung hatte ich schnell durch, also griff ich zu The Women. Und während die Triebwerke röhrten, las ich die ersten Seiten gefühlte 100 Mal und kapierte nur sehr wenig.

3. Sasa Stanisic schreibt in seinem Blog: " T.C. Boyle ist gelegentlich übergenau. Das stört mein Lesevergnügen. (...) Das Unungefähre." Vielleicht ist das Problem von Leuten, die sehr gut beschreiben können. Die sich nicht mehr trauen, auch mal etwas wegzulassen. Oder es ist das Problem sehr erfolgreicher Autoren, denen keiner mehr sagt, dass sie die 300 Seiten in Kapitel 25 bitte streichen sollen, aber dalli. Man nennt es auch die John-Irving-Krankheit oder das Harry-Potter-Teil-5-Syndrom. Oder: Kaum Platz für eigene Gedanken.

4. Eigene Gedanken möchte ich mir aber auch gar keine machen. Frank Lloyd Wright mag ein toller Architekt gewesen sein und T.C. Boyle wohnt - das hat er in jedes Mikrofon erzählt - sehr gern in einem von ihm erbauten Haus. So gern, dass er unbedingt Wrights Geschichte aufschreiben musste. Nein, falsch. Wrights Geschichte hätte ich vielleicht gerne gelesen. Die der morphiumsüchtigen Ex im Wechsel mit den Problemen der depressiv veranlagten neuen Frau nicht.

5. Auch störend: Der Klugscheißer-Erzähler und seine Klugscheißer-Fußnoten.

*

Um den Kopf frei zu kriegen also ein Krimi: Bin bei Ian Rankins Souvenir des Mörders auf Seite 313 und Inspector Rebus hat noch kein einziges nicht alkoholisches Getränk zu sich genommen. Dafür vergeht keine Seite, auf der kein Whiskey bestellt wird. Ist mir aber lieber als Fußnoten.

Dienstag, 14. April 2009

Kate Morton: The Forgotten Garden

Cornwall! Vergessene Gärten! Efeuumrankte Cottages! Alterwürdige Herrenhäuser! Geheimnisvolle Damen! Ein Findelkind! Eine unbekannte Kindheit! Ein vergilbtes Märchenbuch! Die weise Großmutter! Die vom Schicksal gebeutelte Enkelin! 

Mehr davon!

Vielleicht ist es ein banales Buch. Vielleicht hat man das bei Rosamunde Pilcher alles schon mal gesehen oder gelesen. Vielleicht ist das Ende vorhersehbar.

Na und, mein romantisches Herz braucht efeuumrankte Cottages und Findelkinder und Tränen-Sturzbäche auf den letzten Seiten. Kate Morton bedient einfach nur meine Bedürfnisse und ist zudem so nett, noch eine Liebesgeschichte einzubauen, die allerdings erst auf Seite 376 beginnt, was nichts macht, denn so wird die Haupthandlung wenigstens nicht gestört. Aber der schmachtende Gärtner mit den hart arbeitenden, dreckverschmierten Händen musste schon sein. Ganz ohne wäre nicht gegangen.

Ich empfehle dieses Buch uneingeschränkt allen, die ihre vierteljährliche Dosis efeuumranktes Cottage brauchen. Alle anderen erkennen den Zauber einfach nicht.

Kate Morton. The Forgotten Garden. Pan Books, 2008. (Dt. Der vergessene Garten)

Andrea Levy: Eine englische Art von Glück

Was diese "englische Art von Glück" ist, davon haben die vier Protagonisten dieses Buches ganz unterschiedliche Vorstellungen. Eine Chance, dafür einen gemeinsamen Nenner zu finden, haben sie nicht. Denn das Buch spielt in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. In England ist alles ärmlich, kalt und grau, eine Gesellschaft wie ein aufgeschürftes, von Dreck und Blut verkrustetes Knie.

Genau dort suchen Hortense und Gilbert aus Jamaika eben diese englische Art von Glück, der Kriegsheimkehrer Bernard will sie verteidigen, und seine offene, aufgeschlossene Frau Queenie will eine ganz neue erfinden - aber dafür ist sie ihrer Zeit ein paar Jahrzehnte zu weit voraus.

Im Orginal heißt das Buch "Small Island" - kleine Insel - ein Titel, der wie ich finde, viel besser passt. Da erträumen sich Gilbert und Hortense auf der kleinen Insel Jamaika, in der Kolonie, das "Mutterland" als ideale Welt, die ihnen offen steht - und landen doch nur auf einer weiteren kleinen Insel, die im Vergleich noch viel enger und engstirniger scheint als ihre karibische Heimat.
Bernard, der sich auf dieser kleinen Insel so bequem eingerichtet hatte, der aus der großen, weiten Welt endlich dorthin zurück kehrt, möchte keinen Platz machen für die Neuankömmlinge. Das Mutterland weist sie nicht nur ab, es leugnet schlicht ihre Existenz. Die große Verliererin dieses Buches aber ist Queenie, die vormacht, wie es gehen kann, wie man eine tolerante, bunte Gesellschaft gründet - und scheitert.

Ein gutes Buch, weil es so wenig gibt zu diesem postkolonialen Thema. Anstrengend fand ich die vier verschiedenen Stimmen und den in der deutschen Übersetzung arg bemühten jamaikanischen "Slang" - das liest sich im Original wahrscheinlich leichter.

Andrea Levy. Eine englische Art von Glück. Suhrkamp, 2008. (Engl. Small Island)