Dienstag, 10. November 2009

Jodi Picoult: 19 Minuten.

Irgendwas stört mich an Jodi Picoult und lange wusste ich nicht, was.
Ich habe Beim Leben meiner Schwester hier über den grünen Klee gelobt.
Von Die Wahrheit meines Vaters war ich enttäuscht, aber auch nur irgendwie, ich konnte gar nicht sagen, was mich gestört hat. Schon wieder eine Geschichte aus mehreren Perspektiven, dachte ich, vielleicht nervt das langsam.

Und ja, die Hauptfigur. So nett. So schön. So klug. So glatt, dass es glitscht.

Nun also 19 Minuten. Ein 17-jähriger Junge geht morgens in seine High-School, schießt um sich, tötet mehrere Mitschüler und einen Lehrer. Das Thema ist aktuell, Winnenden gerade mal ein halbes Jahr her, als ich das Buch in die Hand nehme. 

Die Geschichte ist gut und sie ist gut erzählt. Picoults Erzählkniff, die verschiedenen Perspektiven, die vielen Stimmen und Gefühle sind sinnvoll. Jede Figur bekommt ihren Raum, sie darf Mitleid erregen, Verständnis erzeugen, auch der Täter. Eigentlich gut - aber dadurch gerät das Buch fast zu harmonisch. Und das wird dem Thema nicht gerecht. Und vielleicht ist das gar kein Erzählkniff. Vielleicht kann und will sich die Autorin auch einfach nicht für eine Perspektive entscheiden und diese konsequent durchziehen. Zum Beispiel die Perspektive des Täters.

Der bleibt seltsam blass, eindimensional. Ein weinerlicher Junge, der schon zu lange Opfer ist, der ausbrechen wollte und sich in seiner Zelle im Selbstmitleid suhlt. Eine Erklärung für seine Tat kann Picoult nicht liefern. Manche laufen Amok, andere nicht - das scheint ihre einzige Antwort auf die Frage nach dem Warum zu sein.
Die Perspektive des Täters fällt Picoult schwer, das ist mir schon bei Die Wahrheit meines Vaters aufgefallen. 

Mit umso mehr Verve stürzt sie sich auf alle anderen Protagonisten: Mütter, Väter, Töchter, Polizisten, Anwälte. Jeder bekommt seinen eigenen Mikrokosmos aus Gefühlen, Verstrickungen und Problemen. Eigentlich schön. Aber maßlos überzeichnet. Da ist es wieder, das zu schöne, nette, glatte, glitschige.

Die Mutter des Täters ist nicht nur eine Mutter, die schon einen Sohn verloren hat. Sie ist auch noch Hebamme, eine, die dem Leben auf die Welt hilft, während ihr Sohn es auslöscht.
Der Vater des Täters ist nicht nur ein College-Professor, er ist auch noch Glücksforscher. Einer, der nach einer Formel sucht, wie man glücklich wird.
Die Mutter eines verletzten Mädchens ist nicht nur die Mutter eines traumatisierten Kindes, sie ist auch noch Richterin und will den Prozess leiten - die schöne, nette und glatte Personifizierung der Justitia.
Das verletzte Mädchen ist auch nicht einfach nur traumatisiert und geschockt, weil ihr Freund, der Schönling der Schule, erschossen wurde. Nein, sie war auch noch schwanger von ihm, mit 16, hatte aber - puh - kurz vor dem Amoklauf eine Fehlgeburt.

Das ist mir zu viel Holzhammermethode, zu viel "Sieh hin! So ist das gemeint!" - wahrscheinlich hat mich das bei den anderen Büchern unterschwellig auch schon gestört. Und nach Ende der Lektüre ein bisschen an Michael Moores Stupid White Men erinnert.

Vielleicht ist der Vergleich ein bisschen an den Haaren herbei gezogen, aber da kam ich mir manchmal auch vor, als sei das Buch für die ganz Blöden, die es sonst nicht kapieren und keinen Platz für eigene Gedanken brauchen.

Jodi Picoult. 19 Minuten. Piper, 2009 (Engl. 19 Minutes).

Montag, 9. November 2009

Joyce Carol Oates: Blonde

Viele Bücher sind mit Erwartungen verbunden, manche sogar regelrecht überladen.
Kaum steht der Titel fest, das Buch bei Amazon unter meinen Empfehlungen, die erste Kurz-Rezension in einer Frauenzeitschrift, entsteht in meinem Kopf eine Vorstellung von dieser Geschichte. Ich nehme das Buch im Laden in die Hand, ich betrachte das Cover, ich lese die Zusammenfassung, den Klappentext, die kleine Biografie des Autors, die ersten Sätze - und meine Vorstellung sprintet voraus und schmückt diese eigene, völlig autarke Geschichte schamlos aus.

Die Geschichte in dem Buch ist dann immer ganz anders, meistens viel besser.
Auf dieses Buch trifft das nicht zu.

Bücher sind mit Erwartungen verbunden.
Erwartungen manchmal mit Enttäuschungen. Zu diesen zählt dieses Buch.

Mehr als acht Jahre bin ich um es herum geschlichen, habe es immer wieder gesehen, in der Buchhandlung, auf einer Bestseller-Liste, auf meinem Amazon-Wunschzettel. In diesem Sommer habe ich es endlich gekauft und an einem heißen Tag am See zum ersten Mal aufgeschlagen.

Ich erwartete das starke Porträt einer starken Frau, die ankämpfte gegen ihr Image als Sex-Objekt, als Hülle "Marilyn Monroe", die jeder benutzen konnte, wie er wollte. Ich erwartete das, weil Joyce Carol Oates eine feministische Autorin ist. Ich erwartete, dass sie Sympathie für diese Hauptfigur entwickelt, dass sie mir Marilyn Monroe zeigt, wie diese vielleicht gerne gewesen wäre oder sich gerne gesehen hätte oder wie sie sogar wirklich war. Die Möglichkeit dazu bestand, finde ich, denn ausdrücklich heißt das Buch "Roman" und nicht "Biografie".

Herausgekommen ist genau das Gegenteil: In Blonde erscheint Marilyn Monroe als blutleere Hülle, als willenlose Puppe, die alles mit sich machen lässt, die keine eigene Meinung hat und nicht weiß, wie sie sich verhalten soll, wenn es kein Drehbuch gibt. Eine, die immer Schauspielerin bleibt, eine schlechte noch dazu. Deren Zauber sich niemand erklären kann - auch das Buch schafft es nicht. Und je weiter ich mich Seite um Seite voran quäle, desto mehr habe ich den Eindruck, dass Joyce Carol Oates die Monroe nicht nur einfach nicht mag. Manchmal scheint sie sie sogar zu verachten.
Es gelingt ihr nicht, sich in ihre Hauptfigur hinein zu versetzen, ihre Gefühle und ihr Verhalten zu erklären. Viele lange Kapitel erzählt sie stattdessen aus einer Art Draufsicht, als würde sie einen Film nacherzählen, den sie gesehen, von dem sie aber nicht alles behalten hat. Dadurch entsteht immer wieder eine große Distanz, verstärkt dadurch, dass seitenlang nur von "the blond actress" die Rede ist, und zwar in jedem zweiten Satz. Das entfernt mich nicht nur von den Protagonisten, es nervt auch ungemein.

Etwa 100 Seiten vor dem Ende und nach vier Wochen gequälten Lesens, habe ich aufgegeben Man weiß ja, wie die Geschichte ausgeht.

Joyce Carol Oates war mutig - sie hat sich, als feministische Autorin, eine Figur ausgesucht, die im krassen Gegensatz zur Frauenbewegung steht. Ihr Ziel war, das vermute ich, diese Figur nachträglich in die Frauenbewegung aufzunehmen. Am Ende zu sagen: Seht her, sie sah aus wie unsere Feindin, aber sie war eine von uns. So hätte man Marilyn Monroe quasi post mortem vom Patriarchiat, vom Chauvinismus ihrer Zeit, vom "male gaze" befreit.

Das hat nicht funktioniert. Irgendwann wollte Oates, glaube ich, gar nicht mehr, dass die Monroe "eine von uns" wird. Weil sie einfach nicht die war, die wir uns wünschen, wenn wir uns ihre Geschichte ausdenken. 
Wenn sich unsere Vorstellung selbständig macht und alles neu erfindet.

Joyce Carol Oates. Blonde - A Novel. Harper Perennial, 2001. (Dt. Blond)

Samstag, 7. November 2009

Andrew Sean Greer: Die Geschichte einer Ehe

Viel zu selten bekommt man Bücher geschenkt, noch seltener solche, die man sich nicht gewünscht hat. In Zeiten, in denen Menschen das Internet mit ihren Amazon-Wunschzetteln überfluten, ist das nicht mehr vorgesehen.

Dabei ist es interessant, auch von Schenker-Seite betrachtet. Ein Buch zu verschenken, das sich der Beschenkte nicht ausdrücklich gewünscht, ist heikel. Hat er es vielleicht schon gelesen? Kennt er den Autor schon und mag nicht, was er schreibt? Und wenn er mit dem Thema so gar nichts anfangen kann?

Ich versuche dann meist, Bücher zu schenken, die ich selbst schon gelesen habe und die ich großartig fand. Das hat mit Sendungsbewusstsein zu tun, ich gebe es zu. Manchmal wird dieses Sendungsbewusstsein enttäuscht, der Beschenkte mag das Buch nicht. Dann verschenke ich beim nächsten Mal aus Trotz ein Buch, dass ich selbst nicht kenne.

Noch heikler: Am Ende ist es wirklich grottenschlecht, der Beschenkte ärgert sich und ich habe ein schlechtes Gewissen.

Manchmal funktioniert es aber auch.

Vorliegendes Buch also war ein Geschenk - das finde ich erstens toll, weil ich Geschenke per se mag, und zweitens, weil ich es mir selbst wahrscheinlich nicht gekauft hätte. Wegen des Titels. Die Geschichte einer Ehe. Langweilig. Aber gut. Geben wir dieser Geschichte einer Chance.

Sie spielt in den 1950er Jahren, handelt von Pearlie, einer braven Gattin und Hausfrau, die mit Mann, Kind und Hund in einer adretten, sauberen, idyllischen Vorstadt von San Francisco lebt. Ihr Mann, Holland, ist vom Krieg stark traumatisiert - Pearlie weiß nicht wirklich, woher, versucht jedoch, deshalb alles wasHolland ärgern, erschrecken oder durcheinander bringen könnte, von ihm fern zu halten: Sie besorgt einen Hund, der nicht bellt. Sie durchforstet morgens die Zeitung und schneidet alle Schreckensmeldungen heraus, die Holland aus seiner lethargischen Geborgenheit reißen könnte. Und sie hält den Plan vor ihm geheim, der sein Leben verändern soll.

Eines Tages steht nämlich Buzz vor der Tür, ein teuer gekleideter, schöner Mann mit vollendeten Manieren und eröffnet Pearlie Ungeheuerliches: Er ist ein alter Freund Hollands aus Kriegstagen. Nicht nur das, er war sein Liebhaber, und er möchte ihn zurück. Buzz bietet Pearlie ganz unverfroren einen Deal an: Du gibst deinen Mann frei und ich ermögliche dir und deinem Sohn dafür mit meinem Geld ein sorgenfreies Leben.

Und Pearlie, die ihm nur das Beste für Holland will, die sich, ganz dem Rollenbild ihrer Zeit verhaftet, keine eigene Meinung erlaubt und nichts hinterfragt - Pearlie geht auf diesen Plan ein. Wenn dieses Leben mit Buzz für Holland das Beste sein soll, dann wird sie ihm nicht im Weg stehen. Aber so einfach ist es natürlich nicht.

Ein schönes Buch, keine Frage, mit einer wunderbaren Sprache und einem interessanten Thema.

Zwei Dinge habe mich gestört:

Erst am Ende des langen, ersten Kapitels erfahre ich, dass Pearlie schwarz ist. Pearlie, Holland und ihr Sohn sind eine schwarze Familie in einer weißen Vorstadt, zu einer Zeit, in der die Rassentrennung in den USA noch Normalität war. Buzz ist weiß. Das alles erfahre ich erst im letzten Satz des ersten Kapitels, nachdem die Figuren dieser Geschichte bereits 67 Seiten lang in meinem Kopf existieren. Und dort sind sie natürlich nicht schwarz. Vielleicht will der Autor mir so einen Spiegel vorhalten, mir zeigen, welchen Klischees, Stereotypen und falschen Vorstellungen ich verhaftet bin, ohne es zu merken. Ich als Leserin aber ärgere mich. Ich fühle mich veräppelt. Und habe für die restlichen fast 200 Seiten große Probleme, mir diese Figuren vorzustellen, weil meine erste Vorstellung immer mit meiner zweiten kollidiert.

Irritiert hat mich außerdem, wie Pearlie die homosexuelle Beziehung hinnimmt. Diese Geschichte spielt in den prüden 1950er Jahren, ich glaube es ihrer Protagonistin einfach nicht, dass sie diesen Nebenbuhler so gleichmütig akzeptiert. Nein, sie scheint den engelsgleichen Buzz und Holland, dessen Schönheit sie immer wieder beschwört, sogar für das bessere Paar zu halten. So überzeugt ist sie davon, dass sie sich gar nicht vorstellen kann, Holland könnte anderer Meinung sein und gar nicht mit Buzz weggehen wollen.
Das Dreieck Pearlie-Holland-Buzz wirft so viele Fragen auf, streift so viele Konflikte - aber es sucht keine Antworten, lässt keinen Konflikt zu: Die Belastung, schwarz zu sein, in einer weißen Gesellschaft. Die Belastung einer homosexuellen Beziehung, die damals verboten war. Die Angst, das Kartenhaus einer heilen Familie zu verlassen. Die Angst vor gesellschaftlicher Ächtung.

Das alles brodelt nur unter der Oberfläche. Währenddessen irren Buzz und Pearlie über einen Nebenschauplatz, verrennen sich in die Vorstellung, Holland betrüge sie beide mit einem jungen (weißen) Mädchen, das sie in Zukunft von ihm fernhalten müssen.

Weil die ganze Geschichte dieser Ehe konsequent aus der Sicht von Pearlie erzählt wird, bleiben die anderen Figuren, vor allem Holland, unscharf, fast unsichtbar. Pearlie selbst ist gefangen in ihrer Zeit, sie hat nie etwas anderes gelernt als sich Männern unterzuordnen. Sie tut alles für ihren Gatten. Aber auch für den weißen Mann, der an ihrer Tür klingelt.

Holland entscheidet sich schließlich gegen Buzz und für die Frau, die brav jeden Morgen die Zeitung für ihn zensiert.

Andrew Sean Greer. Die Geschichte einer Ehe. Fischer, 2009. (Engl. The Story of a Marriage)

Donnerstag, 5. November 2009

Kino. Ein Fragebogen

Hier geht es ja eigentlich um Bücher, aber weil alle Filme irgendwann einmal Bücher waren, passt dieser Fragebogen doch ganz gut.

Via Kaltmamsell.

Name a movie you have seen more than 10 times.

Cocktail. Mindestens 100 Mal. Kann ich mitsprechen. Und dafür schäme ich mich nicht. Außerdem: Much Ado About Nothing. Vier Hochzeiten und ein Todesfall. Singles. Freundinnen. Allein unter Frauen. Abgeschminkt. Stadtgespräch. Many more.


Name a movie you’ve seen multiple times in the theater.

Ich war drei Mal in Don Juan DeMarco mit Johnny Depp. Schäm ich mich auch nicht für.


Name an actor who would make you more inclined to see a movie.

Alan Rickman. George Clooney. Alan Rickman. Emma Thompson. Stephen Fry. Alan Rickman. Harrison Ford. Brad Pitt. Irgendwie fallen mir gerade keine Frauen ein.


Name an actor who would make you less likely to see a movie.

Steven Segal. Til Schweiger. Colin Farrell.


Name a movie you can and do quote from.

Nach kürzerem Nachdenken: Weniger als ich dachte. Cocktail, natürlich („Lass sie in Frieden, sie ist schwanger!“). Vier Hochzeiten und ein Todesfall. About a Boy. Life of Brian. Ich kann mir auch kaum Zitate aus Büchern merken. Dafür ist mein Gehirn nicht gemacht.


Name a movie musical in which you know all of the lyrics to all of the songs.

Keines. Ich bin kein Fan von Musicals. Schauspieler sollen sprechen, nicht singen. Punkt.


Name a movie you have been known to sing along with.

Der bewegte Mann und Stadtgespräch. Beide Soundtracks liebe ich noch heute wegen Max Raabe bzw. den Della-Reese-Songs, die Filme habe ich seit Jahren nicht mehr gesehen.


Name a movie you would recommend everyone see.

Inglorious Basterds. Das klingt jetzt kitschig, aber ich saß im Kino und wusste nach zehn Minuten: Ich seh hier gerade was ganz großes. Und ich will die DVD.


Name a movie you own.

Mir gehört kein Film. Wie wird man Filmbesitzer?


Name an actor who launched his/her entertainment career in another medium but who has surprised you with his/her acting chops.

Heike Makatsch.


Have you ever seen a movie in a drive-in?

Nein.


Ever made out in a movie?

Leider ja. Ich habe meinen ersten Kuss im Kino bekommen. Der Typ war schrecklich, der Film erst recht (Robin Hood - Helden in Strumpfhosen). Ich wollte nichts von dem Typen und der Typ wollte was von meiner Freundin. Ich dachte, irgendwann muss man diese Beziehungsgeschichten halt mal anfangen, warum also nicht mit ihm. Er dachte, irgendwie müsste er ja an K. rankommen, warum nicht über N. Es war Dezember, es war 1993, wir verabredeten uns fürs Kino. Das klingt banal, grenzt aber an ein schier undurchführbares Unterfangen, wenn man 14 ist und sechs Kilometer entfernt vom Kino wohnt. Die Eltern zu überreden, mich ins Kino zu fahren, war noch einfach. Die beste Freundin zu überreden, mitzukommen, auch. Auf der Hinfahrt: Schneeregen, vor uns ein Wagen im Graben. Mein Vater, hilfsbereit, fährt rechts ran, steigt aus. Von hinten: Fahranfängerin aus dem Nachbarkaff, bremst zu spät, schlittert, fährt uns hinten rein. Ich, verzweifelt. Schließlich halten andere Leute aus einem anderen Nachbarkaff und fahren meine Freundin und mich ins Kino. Dort wartet, bereits genervt, der Typ mit einer Horde von Freunden. Während des Films: Verkrampftes Händchenhalten, schließlich Kuss an der langweiligsten Stelle des Films (die Helden in Strumpfhosen führten einen seltsamen Tanz auf). Nach dem Film: Wiederholung hinter den Mülltonnen. Ich, enttäuscht, frustriert. Mache schließlich Schluss per Brief und küsse drei Jahre lang niemanden.


Name a movie you keep meaning to see but you just haven’t gotten around to yet.

So viele, dass ich mittlerweile eine Liste darüber führe, die ich immer vergesse herauszuholen, wenn wir eine DVD ausleihen,


Ever walked out of a movie?

Leider nein. Obwohl ich es gerne getan hätte bei: Alexander, Fluch der Karibik 2 (besonders an den Stellen, an denen P. neben mir lauthals lachte) und Begegnung des Schicksals.

Name a movie that made you cry in the theater.

Ich heule so gut wie immer im Kino, ich bin ein Heulgarant!


Popcorn?
Kaufe nie welches, bediene mich aber ungeniert, wenn Freunde welches haben und kann dann auch nicht aufhören. Nennt man das Gier? Verfluche den Menschen, der Nachos und Konsorten im Kino eingeführt hat. Noch mehr die Menschen, die mal mit Tüten voller Take-Away-Food vom Chinesen ins Multiplex kamen und natürlich neben mir saßen. Roch eklig.


How often do you go to the movies.

Leider viel seltener als früher, weil ich nicht mehr in der gleichen Stadt wohne wie E., die mit mir in einfach jeden Film gegangen ist.

What’s the last movie you saw in the theater?
Das weiße Band.


What’s your favorite/preferred genre of movie?
Drama, Komödie, gut gemachter Thriller. Aber auch Sachen die mich aufwühlen, die ich schrecklich finden möchte, weil sie so gut sind wie Alle anderen.


What’s the first movie you remember seeing in the theater?
Disneys Schneewittchen, ich schätze, 1984, als es in den Stadtsaallichtspielen bei uns daheim noch ungepolsterte Sitze gab. Zumindest in meiner Erinnerung. Habe mich schrecklich gefürchtet.


What movie do you wish you had never seen?
Bram Stoker's Dracula mit Gary Oldman. Ich war 13, es war ein Sonntagnachmittag, es waren nur fünf Leute im Kino und ich fühlte mich wahnsinnig erwachsen. In der folgenden Nacht habe ich mich zum letzten Mal in die Besucherritze zwischen meine Eltern gelegt, weil ich alleine im Bett nicht schlafen konnte: Immer, wenn ich die Augen zumachte, sah ich diese Vampirin, der sie ein Kreuz in die Brust rammen und dann kommt eine Blutfontäne aus ihrem Mund. Hat mich wochenlang verfolgt.


What is the weirdest movie you enjoyed?
Burn after Reading.


What is the scariest movie you’ve seen?
Bram Stoker's Dracula. Davor: Der Zauberer von Oz.


What is the funniest film you have ever seen?
Viele. Aber Vier Hochzeiten und ein Todesfall wäre auf jeden Fall unter den ersten fünf.

Mittwoch, 19. August 2009

Judith Lennox: Die geheimen Jahre

Widmen wir uns heute einem wichtigen Stilelement historischer und zeitgenössischer Literatur: Der unheilvollen Dreier-Konstellation. Auch bekannt als: Eine Frau zwischen zwei Männern. Sie schmückt Shakespeare'sche Komödien ebenso wie aktuelle TV-Doku-Dramen, und auch die Bücher von Judith Lennox.

Die spielen meist in der Vor-, Zwischen- oder Nachkriegszeit und kreisen dabei unablässig um die eigensinnige, rothaarige weibliche Hauptfigur, um die wiederum zwei kernige, nicht minder eigensinnige Kerle buhlen. Judith Lennox kann man dabei noch zugute halten, dass sie es versteht, gleichzeitig historische Themen aus dem frühen 20. Jahrhundert anschaulich zu verpacken. 

Aber schon nach ein paar Seiten ist klar: Es geht doch nur um die Rothaarige und die beiden Kerle – nur einer kann die holde Maid haben, also wird der andere wohl leider sterben müssen. Bis dahin wird es noch ein paar Missverständnisse und Verwicklungen geben, die man auch bei Shakespeare, "Verbotene Liebe" oder verschiedenen TV-Doku-Dramen (Sturmflut, Mauerbau...) schon gesehen hat, und dann wird die Rothaarige nach 700 Seiten erleichtert einem der Kerle in die Arme sinken. Happy End. Kennste eine, kennste alle. Und im vorliegenden Buch gibt's sogar noch ne Sturmflut mit dazu.

Das liest sich so locker weg, dass man beschließt, nun aber wirklich genug von Judith Lennox gelesen zu haben. Gleichzeitig erfolgt der Schwur, sich in Zukunft wieder häufiger durch die Empfehlungen des Feuilletons zu ackern, ja sich vielleicht sogar noch mal T.C. Boyles The Women vorzunehmen. In Wahrheit ist auch hier der Verlauf programmiert: Es wird der Winterabend kommen, an dem das Leserherz nach einer unheilvollen Dreier-Konstellation lechzt, und da wird Judith Lennox warten und eine neue Schnulze bereit halten. Seufz.

Judith Lennox. Die geheimen Jahre. Piper, 720 Seiten. (Engl. The Secret Years)


Tom Wolfe: Fegefeuer der Eitelkeiten

Schon der Name. Könnte nicht treffender, verräterischer sein. Erzählt eigentlich schon die ganze Geschichte. "Sherman McCoy". Das ist die Hauptfigur in diesem 900-Seiten-Epos, in dem die Geschichte fast 400 Seiten braucht, um in Gang zu kommen – und trotzdem steht auf diesen 400 Seiten kein überflüssiges Wort. Und auch auf keiner der folgenden.

Sherman McCoy ist genauso, wie sein Name klingt. Stinkreich, schnöselig, oberflächlich. Ein New Yorker Finanzgenie mit riesigem Apartment an der Park Avenue, teuren Anzügen, frigider Ehefrau und einer durchgeknallten Geliebten. Allein diese Geliebte, Maria. Wie sie mit ihrem Südstaaten-Slang seinen Namen ins Lächerliche zieht. "Shumun", nuschelt Maria und zieht dem selbst ernannten Master of the Universe mit zwei Silben die Hosen aus. Es dieses Genuschele, das Sherman McCoy noch das Genick brechen wird.

Sherman McCoys angenehmes Leben nimmt eine unangenehme Wendung, als er sich zusammen mit Maria auf der Fahrt vom Flughafen nach Manhattan in die Bronx verirrt. Es gibt ein Missverständnis mit zwei jungen Männern am Straßenrand, als dessen Folge Maria das Steuer übernimmt, Gas gibt und einen der Männer anfährt. Einer klassischer Fall von Fahrerflucht – dass er mit seiner Geliebten unterwegs war, von der keiner wissen darf, ist bald Shermans geringstes Problem. 

Es treten auf: Ein junger, erfolgshungriger Staatsanwalt, ein versoffener abgebrannter Journalist, ein schwarzer Bürgerrechtler – und noch ein paar andere Gestalten, die bald wie die Aasgeier um Shermans kleine, feine Park-Avenue-Existenz kreisen. Denn bald nach dem Unfall liegt der junge Mann aus der Bronx mit lebensgefährlichen Verletzungen im Krankenhaus, Sherman wird als Unfallflüchtiger identifiziert – und damit Hauptfigur, Star oder Opfer (wie man will) eines Feldzuges gegen den "großen weißen Angeklagten", Bronx gegen Manhattan, Schwarz gegen Weiß, Arm gegen Reich. An Sherman soll ein Exempel statuiert werden, er soll bluten für die Ungerechtigkeiten einer Stadt, der ganzen Welt, und einem Oberstaatsanwalt nebenbei auch noch zu ein paar wichtigen Wählerstimmen verhelfen.

Und so kommt langsam die Geschichte in Gang, anfangs noch schleppend, quietschend greifen die Zahnräder ineinander, bis am Ende alles wirklich läuft wie geschmiert und auch der letzte Aasgeier sein Stück vom Kuchen bekommen hat.

Großartiges Buch. Und passt, obwohl schon 20 Jahre alt, hervorragend zur Finanzkrise.

Tom Wolfe. Fegefeuer der Eitelkeiten. Rowohlt, 928 Seiten. (Engl. Bonfire of Vanities)

Freitag, 3. Juli 2009

Marc Buhl: drei sieben fünf

Gute Literatur muss nicht viel Worte machen, sie braucht auch keine großen Worte, und keine geschliffenen Sätze. Gute Literatur braucht einfache Worte, Sätze, denen alle Schnörkel abgewetzt wurden und die mit wenig Worten alles sagen. Gute Literatur, das ist Marc Buhl, und er schreibt solche Sätze.

"Irgendwann war die Zeit ganz aus den Fugen geraten. Die Zeit und der Raum. Mal war sein Körper so aufgedunsen, dass er die ganze Zelle füllte und sie fast platzte. Ein andermal war er so klein, dass er Angst hatte, in einem der Ritze zwischen den Wülsten der Wand zu verschwinden."

Der, um den es geht, ist Paul Cremer. Er war einmal diese Nummer, die dem Buch seinen Namen gibt. 375. Paul Cremer weiß das nicht mehr, denn er hat sich in den Kopf geschossen. Damit hat er zwar nicht sein Leben ausgelöscht, aber die letzten 18 Jahre. Für Paul Cremer, der in einer Reha-Klinik im Badischen liegt, ist es 1989, er ist 22 Jahre alt, verliebt in Hanna, wohnt in Berlin.

Das, was er ausgelöscht hat, sind die Monate als letzter Häftling der Staatssicherheit der DDR, kurz vor der Wende, und die Jahre der Verdrängung danach. Auf Kapitel, in denen Cremer versucht, sich an das Jahr 2007 zu gewöhnen, folgen Kapitel, die aus dem Jahr 1989 erzählen. Wie er aus, scheinbar, heiterem Himmel festgenommen wird. Die Einlieferung ins Gefängnis. Die kahle Zelle, in der es nach Urin riecht. Die Neonröhre an der Decke, die immer brennt und ihn nicht schlafen lässt. Die endlosen Verhöre. Cremers Angst, seine Wut, seine Resignation. Diese Kapitel tun fast körperlich weh, sie gehen einem nah, weil sie dicht beschrieben sind, und am liebsten würde man das Kapitel einfach auslassen oder das Buch zuklappen. Dem Unrecht, das geschehen ist, einfach den Rücken zu kehren.

Cremer hat das wohl versucht, in den Jahren nach der Haft, aber es hat ihn eingeholt, nicht mehr losgelassen, er wollte nicht mehr leben deswegen. Nachdem er aus dem Koma erwacht ist, stellt sich nicht nur die Frage, was passiert ist, sondern vor allem: Will oder soll er es überhaupt wissen? Nein, sagt sein Therapeut, der meint, das wir uns an manches auch deswegen nicht erinnern, um uns zu schützen. Doch, sagt ein todgeweihter Mit-Patient. Alles andere kratze nur an der Oberfläche. Cremer müsse sich erinnern, um aus der Vergangenheit Kraft zu schöpfen wir die Zukunft, wie auch immer die aussehe.

Der Vergangenheit können wir nicht entkommen, nicht einmal mit einer Kugel im Kopf. Sie holt uns ein - aber das muss nichts schlechtes bedeuten. Für Cremer gibt es sogar ein Happy End.

Marc Buhl. drei sieben fünf. Eichborn, 2007.