Dienstag, 10. November 2009
Jodi Picoult: 19 Minuten.
Montag, 9. November 2009
Joyce Carol Oates: Blonde
Samstag, 7. November 2009
Andrew Sean Greer: Die Geschichte einer Ehe
Donnerstag, 5. November 2009
Kino. Ein Fragebogen
Hier geht es ja eigentlich um Bücher, aber weil alle Filme irgendwann einmal Bücher waren, passt dieser Fragebogen doch ganz gut.
Via Kaltmamsell.
Name a movie you have seen more than 10 times.
Cocktail. Mindestens 100 Mal. Kann ich mitsprechen. Und dafür schäme ich mich nicht. Außerdem: Much Ado About Nothing. Vier Hochzeiten und ein Todesfall. Singles. Freundinnen. Allein unter Frauen. Abgeschminkt. Stadtgespräch. Many more.
Name a movie you’ve seen multiple times in the theater.
Ich war drei Mal in Don Juan DeMarco mit Johnny Depp. Schäm ich mich auch nicht für.
Name an actor who would make you more inclined to see a movie.
Alan Rickman. George Clooney. Alan Rickman. Emma Thompson. Stephen Fry. Alan Rickman. Harrison Ford. Brad Pitt. Irgendwie fallen mir gerade keine Frauen ein.
Name an actor who would make you less likely to see a movie.
Steven Segal. Til Schweiger. Colin Farrell.
Name a movie you can and do quote from.
Nach kürzerem Nachdenken: Weniger als ich dachte. Cocktail, natürlich („Lass sie in Frieden, sie ist schwanger!“). Vier Hochzeiten und ein Todesfall. About a Boy. Life of Brian. Ich kann mir auch kaum Zitate aus Büchern merken. Dafür ist mein Gehirn nicht gemacht.
Name a movie musical in which you know all of the lyrics to all of the songs.
Keines. Ich bin kein Fan von Musicals. Schauspieler sollen sprechen, nicht singen. Punkt.
Name a movie you have been known to sing along with.
Der bewegte Mann und Stadtgespräch. Beide Soundtracks liebe ich noch heute wegen Max Raabe bzw. den Della-Reese-Songs, die Filme habe ich seit Jahren nicht mehr gesehen.
Name a movie you would recommend everyone see.
Inglorious Basterds. Das klingt jetzt kitschig, aber ich saß im Kino und wusste nach zehn Minuten: Ich seh hier gerade was ganz großes. Und ich will die DVD.
Name a movie you own.
Mir gehört kein Film. Wie wird man Filmbesitzer?
Name an actor who launched his/her entertainment career in another medium but who has surprised you with his/her acting chops.
Heike Makatsch.
Have you ever seen a movie in a drive-in?
Nein.
Ever made out in a movie?
Leider ja. Ich habe meinen ersten Kuss im Kino bekommen. Der Typ war schrecklich, der Film erst recht (Robin Hood - Helden in Strumpfhosen). Ich wollte nichts von dem Typen und der Typ wollte was von meiner Freundin. Ich dachte, irgendwann muss man diese Beziehungsgeschichten halt mal anfangen, warum also nicht mit ihm. Er dachte, irgendwie müsste er ja an K. rankommen, warum nicht über N. Es war Dezember, es war 1993, wir verabredeten uns fürs Kino. Das klingt banal, grenzt aber an ein schier undurchführbares Unterfangen, wenn man 14 ist und sechs Kilometer entfernt vom Kino wohnt. Die Eltern zu überreden, mich ins Kino zu fahren, war noch einfach. Die beste Freundin zu überreden, mitzukommen, auch. Auf der Hinfahrt: Schneeregen, vor uns ein Wagen im Graben. Mein Vater, hilfsbereit, fährt rechts ran, steigt aus. Von hinten: Fahranfängerin aus dem Nachbarkaff, bremst zu spät, schlittert, fährt uns hinten rein. Ich, verzweifelt. Schließlich halten andere Leute aus einem anderen Nachbarkaff und fahren meine Freundin und mich ins Kino. Dort wartet, bereits genervt, der Typ mit einer Horde von Freunden. Während des Films: Verkrampftes Händchenhalten, schließlich Kuss an der langweiligsten Stelle des Films (die Helden in Strumpfhosen führten einen seltsamen Tanz auf). Nach dem Film: Wiederholung hinter den Mülltonnen. Ich, enttäuscht, frustriert. Mache schließlich Schluss per Brief und küsse drei Jahre lang niemanden.
Name a movie you keep meaning to see but you just haven’t gotten around to yet.
So viele, dass ich mittlerweile eine Liste darüber führe, die ich immer vergesse herauszuholen, wenn wir eine DVD ausleihen,
Ever walked out of a movie?
Leider nein. Obwohl ich es gerne getan hätte bei: Alexander, Fluch der Karibik 2 (besonders an den Stellen, an denen P. neben mir lauthals lachte) und Begegnung des Schicksals.
Name a movie that made you cry in the theater.
Ich heule so gut wie immer im Kino, ich bin ein Heulgarant!
Popcorn?
Kaufe nie welches, bediene mich aber ungeniert, wenn Freunde welches haben und kann dann auch nicht aufhören. Nennt man das Gier? Verfluche den Menschen, der Nachos und Konsorten im Kino eingeführt hat. Noch mehr die Menschen, die mal mit Tüten voller Take-Away-Food vom Chinesen ins Multiplex kamen und natürlich neben mir saßen. Roch eklig.
How often do you go to the movies.
Leider viel seltener als früher, weil ich nicht mehr in der gleichen Stadt wohne wie E., die mit mir in einfach jeden Film gegangen ist.
What’s the last movie you saw in the theater?
Das weiße Band.
What’s your favorite/preferred genre of movie?
Drama, Komödie, gut gemachter Thriller. Aber auch Sachen die mich aufwühlen, die ich schrecklich finden möchte, weil sie so gut sind wie Alle anderen.
What’s the first movie you remember seeing in the theater?
Disneys Schneewittchen, ich schätze, 1984, als es in den Stadtsaallichtspielen bei uns daheim noch ungepolsterte Sitze gab. Zumindest in meiner Erinnerung. Habe mich schrecklich gefürchtet.
What movie do you wish you had never seen?
Bram Stoker's Dracula mit Gary Oldman. Ich war 13, es war ein Sonntagnachmittag, es waren nur fünf Leute im Kino und ich fühlte mich wahnsinnig erwachsen. In der folgenden Nacht habe ich mich zum letzten Mal in die Besucherritze zwischen meine Eltern gelegt, weil ich alleine im Bett nicht schlafen konnte: Immer, wenn ich die Augen zumachte, sah ich diese Vampirin, der sie ein Kreuz in die Brust rammen und dann kommt eine Blutfontäne aus ihrem Mund. Hat mich wochenlang verfolgt.
What is the weirdest movie you enjoyed?
Burn after Reading.
What is the scariest movie you’ve seen?
Bram Stoker's Dracula. Davor: Der Zauberer von Oz.
What is the funniest film you have ever seen?
Viele. Aber Vier Hochzeiten und ein Todesfall wäre auf jeden Fall unter den ersten fünf.
Mittwoch, 19. August 2009
Judith Lennox: Die geheimen Jahre
Tom Wolfe: Fegefeuer der Eitelkeiten
Freitag, 3. Juli 2009
Marc Buhl: drei sieben fünf
"Irgendwann war die Zeit ganz aus den Fugen geraten. Die Zeit und der Raum. Mal war sein Körper so aufgedunsen, dass er die ganze Zelle füllte und sie fast platzte. Ein andermal war er so klein, dass er Angst hatte, in einem der Ritze zwischen den Wülsten der Wand zu verschwinden."
Der, um den es geht, ist Paul Cremer. Er war einmal diese Nummer, die dem Buch seinen Namen gibt. 375. Paul Cremer weiß das nicht mehr, denn er hat sich in den Kopf geschossen. Damit hat er zwar nicht sein Leben ausgelöscht, aber die letzten 18 Jahre. Für Paul Cremer, der in einer Reha-Klinik im Badischen liegt, ist es 1989, er ist 22 Jahre alt, verliebt in Hanna, wohnt in Berlin.
Das, was er ausgelöscht hat, sind die Monate als letzter Häftling der Staatssicherheit der DDR, kurz vor der Wende, und die Jahre der Verdrängung danach. Auf Kapitel, in denen Cremer versucht, sich an das Jahr 2007 zu gewöhnen, folgen Kapitel, die aus dem Jahr 1989 erzählen. Wie er aus, scheinbar, heiterem Himmel festgenommen wird. Die Einlieferung ins Gefängnis. Die kahle Zelle, in der es nach Urin riecht. Die Neonröhre an der Decke, die immer brennt und ihn nicht schlafen lässt. Die endlosen Verhöre. Cremers Angst, seine Wut, seine Resignation. Diese Kapitel tun fast körperlich weh, sie gehen einem nah, weil sie dicht beschrieben sind, und am liebsten würde man das Kapitel einfach auslassen oder das Buch zuklappen. Dem Unrecht, das geschehen ist, einfach den Rücken zu kehren.
Cremer hat das wohl versucht, in den Jahren nach der Haft, aber es hat ihn eingeholt, nicht mehr losgelassen, er wollte nicht mehr leben deswegen. Nachdem er aus dem Koma erwacht ist, stellt sich nicht nur die Frage, was passiert ist, sondern vor allem: Will oder soll er es überhaupt wissen? Nein, sagt sein Therapeut, der meint, das wir uns an manches auch deswegen nicht erinnern, um uns zu schützen. Doch, sagt ein todgeweihter Mit-Patient. Alles andere kratze nur an der Oberfläche. Cremer müsse sich erinnern, um aus der Vergangenheit Kraft zu schöpfen wir die Zukunft, wie auch immer die aussehe.
Der Vergangenheit können wir nicht entkommen, nicht einmal mit einer Kugel im Kopf. Sie holt uns ein - aber das muss nichts schlechtes bedeuten. Für Cremer gibt es sogar ein Happy End.
Marc Buhl. drei sieben fünf. Eichborn, 2007.
Mittwoch, 10. Juni 2009
Jaume Cabré: Die Stimmen des Flusses
Wolfgang Koydl: Fish and Fritz. Als Deutscher auf der Insel
Freitag, 22. Mai 2009
Richard Yates: Easter Parade
Zwei Mal Rankin
Ich mag anspruchsvolle Literatur, aber ich lese nicht immer welche. Ich mag ja auch tolles Essen und gehe trotzdem hin und wieder zu McDonald's. Aber Ian Rankin hier mit einem Burgerbrater zu vergleichen, ist unpassend. Er schreibt sehr gute Krimis auf gehobenem, gut bürgerlichem Niveau. Also eher Geschnetzeltes mit Spätzle. Weiß man, was man kriegt, schmeckt gut, weiter geht's.
Das Souvenir des Mörders erfüllt demnach alle Erwartungen: Inspector Rebus muffelt sich wie gewohnt durchs verregnete Schottland, pendelt zwischen Edinburgh, Glasgow und Aberdeen genauso wie zwischen drei Mordfällen. Legt sich - wie vertraut! - mit allen zur Verfügung stehenden Vorgesetzten an, und ist am Ende doch wieder der einzige, der alles durchschaut und die Fälle lösen kann. Dazwischen trinkt er eine halbe Distille leer oder hängt, wie er es selbst nennt an der "Whisky-Infusion". Er isst nichts oder schlechtes Zeug, wäscht sich selten oder kaum ausreichend. Dass Frauen trotzdem noch seine Nähe suchen, ist einer der wenigen unglaubwürdigen Aspekte dieses Buches. Einer der säuft, kaum schläft, sich nur ab und zu wäscht und auch noch stark auf die 50 zu geht, taugt nicht zum Womanzier, auch wenn er die Hauptfigur einer sehr erfolgreichen Krimireihe ist.
Michael Weston, der Auftragskiller aus Bis aufs Blut ist das absolute Gegenteil - vielleicht hatte Ian Rankin auch mal Lust auf einen Protagonisten, der täglich die Unterhosen wechselt. Weston ist Mitte 30, sieht gut aus, verdient abartig viel Geld - aber eben mit Auftragsmorden. Er ist ein Scharfschütze, das heißt, er erledigt seine Opfer aus sicherer Entfernung. Nur - beim letzten Mal hat ihn wohl jemand verpfiffen, die Polizei kommt ihm gefährlich nahe, ebenso ein dicker versoffener und verkokster Privatdetektiv aus New York. Anstatt sich abzusetzen beißt sich Weston an der irrsinnigen Idee fest herausfinden zu müssen, wer ihn verpfiffen hat und begibt sich auf eine wahnwitzige Schnitzeljagd von London über Schottland bis nach Seattle. Bei der sich der Leser, im Gegensatz zur Hauptfigur selbst, relativ frühzeitig fragt, ob der smarte Killer sich nicht gerade den Holzweg frei schießt.
Was spannend und ungewöhnlich beginnt, wird zu einer völlig überdrehten Hatz ohne Rücksicht auf Verluste, mit viel Kollateralschaden und allen Details zu Waffen, die Ian Rankin recherchieren konnte. Das war dann wirklich zu martialisch. Dass ich trotzdem bis zum Ende dabei blieb, lag nur daran, dass ich ein bisschen verschossen war in Michael Weston. Aber nur ein bisschen.
Ian Rankin. Das Souvenir des Mörders. Goldmann, 2005. (Engl. Black & Blue)
Ian Rankin. Bis aufs Blut. Goldmann, 2009. (Engl. Bleeding Hearts)
David Benioff: City of Thieves
"My grandfather, the knife fighter, killed two Germans before he was eighteen."
Ich lese diesen ersten Satz, und noch bevor ich weiter lese weiß ich, dieses Buch ist wunderbar. Erste Sätze sind wichtig, sie sind die Eingangstür für jeden Text, an ihnen entscheidet sich in wenigen Sekunden, ob man über die Schwelle tritt, ob man sich auf die Geschichte einlässt, auf die Sprache, den Stil.
Man tritt also durch die Tür und von irgendwo fällt ein schwacher Lichtstrahl in den dunklen Flur, die Geschichte wird kurz sichtbar. Der Großvater hat zwei Deutsche getötet, vor seinem 18. Geburtstag. Er verrät nicht viel, dieser Lichstrahl, aber er zieht einen weiter in dieses dunkle Haus, in die Geschichte. Wer ist dieser Großvater, was ist ihm passiert?
Lew ist dieser Großvater, im Januar 1941 ist er 17 Jahre alt, ein schmächtiger, halb verhungerter jüdischer Junge, der Vater tot, Mutter und Schwester aus Leningrad geflüchtet. Dort verschanzt sich Lew mit anderen, halben Kindern, und eines Nachts baut er Mist und landet im Gefängnis. Vom Krieg längst aller Illusionen beraubt, rechnet Lew mit dem sicheren Tod. Da stecken sie Kolja zu ihm in die Zelle, einen blonden, selbstverliebten Dissidenten. Keine 24 Stunden später stehen die beiden in der klirrenden Kälte und begeben sich auf die Suche nach zwölf Eiern. Der Geheimdienstchef hat sie auf diese Reise geschickt - "bringt mir zwölf Eier für die Hochzeitstorte meiner Tochter" - schaffen sie es bis zum Ende der Woche, sind sie frei. Der Geheimdienstchef weiß, wie unlösbar diese Aufgabe ist, nirgendwo in Leningrad gibt es zu dieser Zeit solche Luxusgüter, geschweige denn lebende Hühner, die welche produzieren könnten. Überall wimmelt es vor Soldaten, Spionen, Nazis. Die beiden Jungs auf diese Reise zu schicken, bedeutet ihren sicheren Tod, und der Geheimdienstchef hat seine sadistische Freude daran.
Aber er unterschätzt, welche Kräfte in einem frei werden, wenn der Tod einem an den Hacken klebt. Und er weiß nicht, welche Macht Freundschaft entwickeln kann.
Lew und Kolja machen sich auf den Weg und es wird eine gefährliche, verrückte, fantastische, manchmal rührende, oft beängstigende, grausame Suche.
Die Geschichte darüber kann man aber eigentlich gar nicht erfinden. Und wenn doch - es ändert nichts daran, dass sie großartig ist.
David Benioff. City of Thieves. Sceptre, 2009. (Dt. Stadt der Diebe)
Montag, 27. April 2009
Randnotiz: The Women
Dienstag, 14. April 2009
Kate Morton: The Forgotten Garden
Andrea Levy: Eine englische Art von Glück
Freitag, 13. März 2009
Friedrich Ani: Idylle der Hyänen
Freitag, 27. Februar 2009
Gedanken zu... Wohnsitzen
Mittwoch, 25. Februar 2009
J.R. Moehringer: Tender Bar
Montag, 16. Februar 2009
Ohne mich
Mittwoch, 11. Februar 2009
Richard Yates: Zeiten des Aufruhrs
Manchmal haben Verfilmungen aber auch den Vorteil, dass sie einen erst mit einem guten Buch bekannt machen. Und so greife ich im Hugendubel zielstrebig nach der Neuauflage von "Zeiten des Aufruhrs", und einen Tag später läuft die Verfilmung im Kino an. Noch bevor ich die erste Seite aufschlage, haben sich Kate Winslet und Leonardo diCaprio natürlich schon in mein Gedächtnis eingebrannt, sind die Figuren Fleisch geworden, bevor ich mir überhaupt eine Vorstellung von ihnen machen kann.
Zu allem Übel schaue ich mir den Film an, als ich das Buch gerade erst zur Hälfte gelesen habe.
Und, das spricht sowohl für den Film als auch für das Buch: Es macht nichts. Beide sind großartig.
Es gibt Bücher, die verraten sehr schnell sehr viel: Ob sie von einem Mann oder einer Frau geschrieben wurden, in welcher Zeit, mit welcher Haltung. Viele Bücher sind so. Dieses nicht. Es spielt im Jahr 1955, aber die Ereignisse könnten genauso gut 2009 stattfinden. Es wurde 1961 veröffentlicht, hätte 1981 aber genauso gut gepasst wie 1991 oder 2001.
Diese Geschichte spielt immer in der Gegenwart und das macht sie so traurig.
April und Frank - das klingt nach trällernder Hausfrau und bodenständigem Ehemann. Beide sind fast 30, seit sieben Jahren verheiratet, haben zwei Kinder, sind vor einigen Jahren aus der Groß- in die Vorstadt gezogen. Und damit in die Enttäuschung. Die Versprechungen, mit denen ihre Ehe begann wurden nie eingelöst. Das Bild, das sie voneinander haben bröckelt. Die Erwartungen aneinander sind zu hoch, um sich je zu erfüllen.
Rettung verspricht ein Umzug nach Paris. Lass uns einfach weggehen, neu anfangen, endlich so sein, wie wir wirklich sind, schlägt April vor. Und erkennt nur langsam: Frank ist schon längst so, wie er wirklich ist. Die Rolle des empfindsamen Intellektuellen, der in einem langweiligen Bürojob gefangen ist, spielt er nur. Für sie.
Doch April und Frank planen ein Leben in Paris. In ihrer naiven, fast kindlichen Aufregung und Vorfreude erinnern sie fast zu deutlich an die vielen deutschen Familien, die seit einiger Zeit begleitet von diversen Fernsehsendern das Land verlassen. In Neuseeland endlich neu anfangen. In Norwegen endlich mehr Geld verdienen. In Braslilien endlich den Traum von der eigenen Bar verwirklichen. In Kanada endlich die Beziehung kitten.
In Paris endlich die Menschen werden, die wir immer sein wollten.
April und Frank werden es nicht schaffen. Ihre Geschichte endet tragisch. Als das Buch schon einige Tage im Regal steht und ich längst ein neues angefangen habe, frage ich mich, welches Ende die Zeiten des Aufruhrs gefunden hätten, hätten April und Frank es doch nach Paris geschafft.
Wahrscheinlich ein noch tragischeres.
Richard Yates. Zeiten des Aufruhrs. DVA, 2008. (Engl. Revolutionary Road, 1961)
Freitag, 6. Februar 2009
Jodi Picoult: Beim Leben meiner Schwester
Die Fitzgeralds könnten eine Vorzeige-Familie sein, wie sie da in ihrer Neuengland-Idylle leben - der Vater starker, aber sensibler Feuerwehrmann. Die Mutter immer für die Kinder da. Zwei hübsche Töchter, ein Sohn. Doch die Indian-Summer-Kulisse spielt nur Idylle für ein Leben, das schon lange nicht mehr idyllisch ist. Das zweite Kind der Fitzgeralds, die Tochter Kate, erkrankt mit zwei Jahren an einer hochaggressiven Form von Leukämie. Um sie zu retten, zeugen die Fitzgeralds noch ein Kind, ein sogenanntes Designer-Baby, das genau zu Kate passt - mit den Stammzellen aus seiner Nabelschnur soll sie gerettet werden. Allein das Thema hätte schon gereicht für einen Roman, aber Picoult dreht es weiter und weiter, und plötzlich schlage ich nur atemlos die Seiten um.
Die Geschichte wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt, alle Figuren kommen zu Wort. Am eindringlichsten erzählt Anna, mittlerweile 13 Jahre alt, die seit sie denken kann für ihre (immer wieder kranke) Schwester Stammzellen spendet. Nur weil Anna da ist, kann Kate überleben. Und jetzt soll sie ihr eine Niere spenden, doch Anna will nicht mehr und nimmt sich einen Anwalt.
Dieses Buch macht es einem schwer, eine Seite zu beziehen, und das ist gut. Man gibt Anna recht, die endlich ein normales Leben führen will, und unter der Last, ständig als Lebensretterin verfügbar sein zu müssen, wahnsinnig leidet. Aber man versteht auch die Mutter, die alles tun will, um ihr Kind vor dem Tod zu retten, den Vater, der loslassen möchte, den Sohn, den alle immer vergessen. Wer meint, hier einen klaren Standpunkt beziehen zu können, hat vieles nicht verstanden.
Ich mag das Buch, weil es es einem nicht einfach macht und sich trotzdem aufregend liest. Außerdem gibt es als Subplot eine rührseelige, aber nette Liebesgeschichte, die mir wiederholt das Wasser in die Augen getrieben hat.
Die wahre Meisterleistung ist aber der Schluss - unvorhersehbar, überraschend, erschreckend. Ich war ehrlich aufgewühlt - und froh, dass ich danach in der Kneipe verabredet war und mich bei einem Guiness beruhigen konnte.
Großartiges Buch.
Jodi Picoult. Beim Leben meiner Schwester. Piper, 2007. (Engl. My Sister's Keeper, 2004)
John Banville: Die See
Damit konnte ich bei "Die See" (ich habe die deutsche Übersetzung gelesen) schon mal dienen: Es war Januar, draußen kühl, windig, braun-grün. Trotzdem hat es mir nicht gefallen.
Zeitungsleser, so wird Journalisten immer wieder eingebleut, stellen sich unterbewusst bei jedem Artikel die Frage "Warum soll ich das lesen?" Diese Frage soll der Autor möglichst schnell beantworten, aber dalli, sonst steigt der Leser nämlich aus.
Dem einen oder anderen Schriftsteller könnte man mal stecken, dass sich ihre Klientel genau das bisweilen auch fragt.
Ich frage also: Mr. Banville, warum soll ich das lesen?
Mr. Banville: schweigt.
Ich: Also gut, da ist also Ihr Ich-Erzähler, der sich Max nennt, aber anscheinend nicht so heißt, egal. Er hat seine Frau verloren, er versteht sich nicht mit seiner Tochter, er verdient sein Geld mit Biografien über Künstler, die keiner kennt. Um über den Verlust seiner Frau hinwegzukommen, mietet er sich in einer Pension an der irischen Küste ein. Hier hat er vor einem halben Jahrhundert als etwa Elfjähriger mit einer befreundeten Familie einen denkwürdigen Sommer verbracht - alles ein bisschen schwülstig, denn einerseits fühlte er sich zu den großen, weichen Brüsten der Mutter, andererseits zur knochigen, knabenhaften Tochter hingezogen (typische Alt-Männerphantasie, mir fallen gleich die Augen zu). Es gibt noch einen Bruder, der nicht spricht, Gründe werden keine genannt, und irgendwann gehen die Geschwister - die natürlich symbiotisch, liebespaarmäßig verbunden sind - gemeinsam ins Meer. Der Ich-Erzähler fühlt sich irgendwie schuldig. Am Ende besäuft er sich und landet auch fast im Meer, also in der See, wird aber gerettet, irgendwie.
Das alles also habe ich gelesen und mich auf jeder Seite gefragt: warum eigentlich. Haben Sie eine Antwort? Hallo? Mr. Banville?
Mr. Banville: schweigt. 218 Seiten lang. Sehr kleine Schrift.
John Banville. Die See. Goldmann, 2008. (Engl. The Sea, 2005)
Alan Bennett: The Uncommon Reader
Aber bevor ich darüber noch den Kopf schütteln konnte, hat er mich schon gekriegt, der Mr. Bennett. Aus Höflichkeit leiht sich die Queen ein Buch aus - weil sie von Literatur überhaupt keine Ahnung hat, nimmt sie einfach einen Roman, dessen Autorin sie kennt ("I made her a Dame!"), findet das Buch zwar todlangweilig, leiht sich aber gleich wieder eines aus.
Von nun an liest die Queen und liest und liest und liest. Das ganze wird noch ein bisschen absurder, als sie sich mit dem rothaarigen, sehr belesenen Küchenjungen Norman anfreundet. Norman beginnt, die Queen bei der Literaturauswahl zu beraten, und weil Norman auch sehr schwul ist, ackert sie sich brav durch die Werke einer ganzen Menge homosexueller Schriftsteller. Von da an kein Halten mehr: Legt die Queen ein Buch aus der Hand, dann nur, um das nächste zu beginnen - immer argwöhnischer beäugt von Prinzgemahl, Personal und Privatsekretär.
Am zauberhaftesten ist dieses kleine Buch, wenn die Queen traurig erkennt, was sie alles verpasst hat: Was für anregende Gespräche hätte sie mit all den Schriftstellern führen können, die sie getroffen hat. Sie kannte Katherine Mansfield, T.S. Eliot, Philip Larkin, Ted Hughes - nie hatte sie gewusst, was sie sagen sollte, nie hatte es sie interessiert, was die Schreiber ihr erzählten. "What a waste", bedauert sie.
Aber ganz geschmeichelte ältere Dame sie ist gerührt, als sie in E.M. Fosters Biografie liest, dass er sich fast in sie verliebt hätte - wäre sie denn ein Junge gewesen. Dabei hatte sie ihn damals so komisch gefunden mit seiner kleinen Stimme und den aneinander gepressten Händen.
Meine Lieblingsstelle ist, als die Queen ins Sinnieren gerät und dann zu Norman sagt: "Do you know the area in which one would truly excel?" (...) "The pub quiz. One has been everywhere, seen everything and though one might have difficulty with pop music and some sport, when it comes to the capital of Zimbabwe, say, or the principal exports of New South Wales, I have all that at my fingertips."
Und die Selbstverständlichkeit mit der die Queen von sich selbst grundsätzlich als "One" spricht, ist so großmütterlich-rührend, das meine zarte, versteckte Monarchisten-Seele sofort aufhorchte.
Gegen Ende wird der Zauber leider etwas matt, die Konstruktion noch konstruierter. Plötzlich will die Queen selbst schreiben, aus Genuss wird Ambition. Das geschieht so abrupt - aber mit 120 Seiten ist das Buch ja auch nicht sehr lang - dass ich ein bisschen verärgert war.
Schade. Aber trotzdem ein sehr feines, kleines Buch.
Alan Bennett. The Uncommon Reader. Profile Books, 2007. (Dt. Die souveräne Leserin)