Mittwoch, 25. Februar 2009

J.R. Moehringer: Tender Bar

Erinnert sich noch jemand an "Cocktail", diesen sehr vorhersehbaren, einfach gestrickten Film mit Tom Cruise aus dem Jahr 1988? Weder ist er ein Meilenstein der Filmgeschichte noch wirft er ein strahlendes Licht auf Cruises schauspielerisches Talent - aber ich liebe ihn und habe ihn seit 1990 oder 1991 mindestens 200 Mal gesehen. Ich kann alle Dialoge mitsprechen und heule mir spätestens ab der Aufzugszene ("Fass sie nicht an, sie ist schwanger!") die Augen aus.

Für alle, die jetzt nicht ganz folgen können: In "Cocktail" spielt Tom Cruise das Milchgesicht Brian Flanagan, das erst als Barkeeper groß raus kommt und dann natürlich die große Liebe findet (Elisabeth Shue). Und am Ende kriegen sie auch noch Zwillinge. 
Tender Bar hat mich schwer an den Anfang dieses Films erinnert: Da landet Brian Flanagan nach harten Monaten in der Armee und einer langen Busfahrt endlich wieder in New York und kurze Zeit später in der Kneipe von Onkel Pat in Queens. 

Tender Bar ist wie Pats Kneipe: Unprätentiös, bodenständig – nicht wie die Schickimicki-Bars in denen Brian Flanagan dann arbeitet.

J.R. Moehringer – im Erstberuf Reporter, er hat schon einen Pulitzerpreis – hat hier einfach nur getan, was er wahrscheinlich am besten kann: Er hat aufgeschrieben, was er sah, hörte und fühlte. Man kann das Duftgemisch aus Burgerfett, Alkoholfahnen und Zigarettenrauch riechen. Man ist kurz davor, Onkel Charlie zerknitterte Dollarscheine über den Tresen zu schieben, mit Dalton über Rilke zu philosophieren oder Bob the Cop ein Buch zu leihen. Man wünscht sich nichts sehnlicher als im Umkreis von maximal zwei Kilometern genau diese Kneipe zu finden, um sich dort an die Theke zu ketten.

Und wenn es stimmt, was Moehringer im Nachwort schreibt, ist nicht einmal eine Zeile erfunden, sind nicht einmal die Namen geändert. Diese skurilen, verrückten, liebenswerten Menschen hat es wirklich gegeben oder es gibt sie sogar noch. Was für die wenigsten Menschen allerdings existiert, ist eben eine Kneipe genau wie diese. Ein verlängertes Wohnzimmer, fast rund um die Uhr besetzt mit Menschen die dich kennen, mögen und die dir zuhören. Als ich das letzte Mal eine Kneipe besuchte, ohne mich vorher dort mit einer bestimmten Person zu verabreden, war ich 19. Ich brauchte mich nicht zu verabreden, weil es sowieso nur diese eine Kneipe gab und damit keinen anderen Ort, an dem man seinen Abend verbringen konnte. Ich trauere diesen Zeiten nicht hinterher, aber es wäre schön, sowas mal wieder zu haben.

J.R. Moehringer hat es auch nicht mehr, aber er hat dieses Buch geschrieben. Das, auch wenn es melancholisch, fast traurig endet, sich so liest, wie ein milder, honigfarbener Single Malt schmeckt.

J.R. Moehringer. Tender Bar. Fischer, 2008. (Engl. The Tender Bar, 2005)

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