Dienstag, 10. November 2009

Jodi Picoult: 19 Minuten.

Irgendwas stört mich an Jodi Picoult und lange wusste ich nicht, was.
Ich habe Beim Leben meiner Schwester hier über den grünen Klee gelobt.
Von Die Wahrheit meines Vaters war ich enttäuscht, aber auch nur irgendwie, ich konnte gar nicht sagen, was mich gestört hat. Schon wieder eine Geschichte aus mehreren Perspektiven, dachte ich, vielleicht nervt das langsam.

Und ja, die Hauptfigur. So nett. So schön. So klug. So glatt, dass es glitscht.

Nun also 19 Minuten. Ein 17-jähriger Junge geht morgens in seine High-School, schießt um sich, tötet mehrere Mitschüler und einen Lehrer. Das Thema ist aktuell, Winnenden gerade mal ein halbes Jahr her, als ich das Buch in die Hand nehme. 

Die Geschichte ist gut und sie ist gut erzählt. Picoults Erzählkniff, die verschiedenen Perspektiven, die vielen Stimmen und Gefühle sind sinnvoll. Jede Figur bekommt ihren Raum, sie darf Mitleid erregen, Verständnis erzeugen, auch der Täter. Eigentlich gut - aber dadurch gerät das Buch fast zu harmonisch. Und das wird dem Thema nicht gerecht. Und vielleicht ist das gar kein Erzählkniff. Vielleicht kann und will sich die Autorin auch einfach nicht für eine Perspektive entscheiden und diese konsequent durchziehen. Zum Beispiel die Perspektive des Täters.

Der bleibt seltsam blass, eindimensional. Ein weinerlicher Junge, der schon zu lange Opfer ist, der ausbrechen wollte und sich in seiner Zelle im Selbstmitleid suhlt. Eine Erklärung für seine Tat kann Picoult nicht liefern. Manche laufen Amok, andere nicht - das scheint ihre einzige Antwort auf die Frage nach dem Warum zu sein.
Die Perspektive des Täters fällt Picoult schwer, das ist mir schon bei Die Wahrheit meines Vaters aufgefallen. 

Mit umso mehr Verve stürzt sie sich auf alle anderen Protagonisten: Mütter, Väter, Töchter, Polizisten, Anwälte. Jeder bekommt seinen eigenen Mikrokosmos aus Gefühlen, Verstrickungen und Problemen. Eigentlich schön. Aber maßlos überzeichnet. Da ist es wieder, das zu schöne, nette, glatte, glitschige.

Die Mutter des Täters ist nicht nur eine Mutter, die schon einen Sohn verloren hat. Sie ist auch noch Hebamme, eine, die dem Leben auf die Welt hilft, während ihr Sohn es auslöscht.
Der Vater des Täters ist nicht nur ein College-Professor, er ist auch noch Glücksforscher. Einer, der nach einer Formel sucht, wie man glücklich wird.
Die Mutter eines verletzten Mädchens ist nicht nur die Mutter eines traumatisierten Kindes, sie ist auch noch Richterin und will den Prozess leiten - die schöne, nette und glatte Personifizierung der Justitia.
Das verletzte Mädchen ist auch nicht einfach nur traumatisiert und geschockt, weil ihr Freund, der Schönling der Schule, erschossen wurde. Nein, sie war auch noch schwanger von ihm, mit 16, hatte aber - puh - kurz vor dem Amoklauf eine Fehlgeburt.

Das ist mir zu viel Holzhammermethode, zu viel "Sieh hin! So ist das gemeint!" - wahrscheinlich hat mich das bei den anderen Büchern unterschwellig auch schon gestört. Und nach Ende der Lektüre ein bisschen an Michael Moores Stupid White Men erinnert.

Vielleicht ist der Vergleich ein bisschen an den Haaren herbei gezogen, aber da kam ich mir manchmal auch vor, als sei das Buch für die ganz Blöden, die es sonst nicht kapieren und keinen Platz für eigene Gedanken brauchen.

Jodi Picoult. 19 Minuten. Piper, 2009 (Engl. 19 Minutes).

Montag, 9. November 2009

Joyce Carol Oates: Blonde

Viele Bücher sind mit Erwartungen verbunden, manche sogar regelrecht überladen.
Kaum steht der Titel fest, das Buch bei Amazon unter meinen Empfehlungen, die erste Kurz-Rezension in einer Frauenzeitschrift, entsteht in meinem Kopf eine Vorstellung von dieser Geschichte. Ich nehme das Buch im Laden in die Hand, ich betrachte das Cover, ich lese die Zusammenfassung, den Klappentext, die kleine Biografie des Autors, die ersten Sätze - und meine Vorstellung sprintet voraus und schmückt diese eigene, völlig autarke Geschichte schamlos aus.

Die Geschichte in dem Buch ist dann immer ganz anders, meistens viel besser.
Auf dieses Buch trifft das nicht zu.

Bücher sind mit Erwartungen verbunden.
Erwartungen manchmal mit Enttäuschungen. Zu diesen zählt dieses Buch.

Mehr als acht Jahre bin ich um es herum geschlichen, habe es immer wieder gesehen, in der Buchhandlung, auf einer Bestseller-Liste, auf meinem Amazon-Wunschzettel. In diesem Sommer habe ich es endlich gekauft und an einem heißen Tag am See zum ersten Mal aufgeschlagen.

Ich erwartete das starke Porträt einer starken Frau, die ankämpfte gegen ihr Image als Sex-Objekt, als Hülle "Marilyn Monroe", die jeder benutzen konnte, wie er wollte. Ich erwartete das, weil Joyce Carol Oates eine feministische Autorin ist. Ich erwartete, dass sie Sympathie für diese Hauptfigur entwickelt, dass sie mir Marilyn Monroe zeigt, wie diese vielleicht gerne gewesen wäre oder sich gerne gesehen hätte oder wie sie sogar wirklich war. Die Möglichkeit dazu bestand, finde ich, denn ausdrücklich heißt das Buch "Roman" und nicht "Biografie".

Herausgekommen ist genau das Gegenteil: In Blonde erscheint Marilyn Monroe als blutleere Hülle, als willenlose Puppe, die alles mit sich machen lässt, die keine eigene Meinung hat und nicht weiß, wie sie sich verhalten soll, wenn es kein Drehbuch gibt. Eine, die immer Schauspielerin bleibt, eine schlechte noch dazu. Deren Zauber sich niemand erklären kann - auch das Buch schafft es nicht. Und je weiter ich mich Seite um Seite voran quäle, desto mehr habe ich den Eindruck, dass Joyce Carol Oates die Monroe nicht nur einfach nicht mag. Manchmal scheint sie sie sogar zu verachten.
Es gelingt ihr nicht, sich in ihre Hauptfigur hinein zu versetzen, ihre Gefühle und ihr Verhalten zu erklären. Viele lange Kapitel erzählt sie stattdessen aus einer Art Draufsicht, als würde sie einen Film nacherzählen, den sie gesehen, von dem sie aber nicht alles behalten hat. Dadurch entsteht immer wieder eine große Distanz, verstärkt dadurch, dass seitenlang nur von "the blond actress" die Rede ist, und zwar in jedem zweiten Satz. Das entfernt mich nicht nur von den Protagonisten, es nervt auch ungemein.

Etwa 100 Seiten vor dem Ende und nach vier Wochen gequälten Lesens, habe ich aufgegeben Man weiß ja, wie die Geschichte ausgeht.

Joyce Carol Oates war mutig - sie hat sich, als feministische Autorin, eine Figur ausgesucht, die im krassen Gegensatz zur Frauenbewegung steht. Ihr Ziel war, das vermute ich, diese Figur nachträglich in die Frauenbewegung aufzunehmen. Am Ende zu sagen: Seht her, sie sah aus wie unsere Feindin, aber sie war eine von uns. So hätte man Marilyn Monroe quasi post mortem vom Patriarchiat, vom Chauvinismus ihrer Zeit, vom "male gaze" befreit.

Das hat nicht funktioniert. Irgendwann wollte Oates, glaube ich, gar nicht mehr, dass die Monroe "eine von uns" wird. Weil sie einfach nicht die war, die wir uns wünschen, wenn wir uns ihre Geschichte ausdenken. 
Wenn sich unsere Vorstellung selbständig macht und alles neu erfindet.

Joyce Carol Oates. Blonde - A Novel. Harper Perennial, 2001. (Dt. Blond)

Samstag, 7. November 2009

Andrew Sean Greer: Die Geschichte einer Ehe

Viel zu selten bekommt man Bücher geschenkt, noch seltener solche, die man sich nicht gewünscht hat. In Zeiten, in denen Menschen das Internet mit ihren Amazon-Wunschzetteln überfluten, ist das nicht mehr vorgesehen.

Dabei ist es interessant, auch von Schenker-Seite betrachtet. Ein Buch zu verschenken, das sich der Beschenkte nicht ausdrücklich gewünscht, ist heikel. Hat er es vielleicht schon gelesen? Kennt er den Autor schon und mag nicht, was er schreibt? Und wenn er mit dem Thema so gar nichts anfangen kann?

Ich versuche dann meist, Bücher zu schenken, die ich selbst schon gelesen habe und die ich großartig fand. Das hat mit Sendungsbewusstsein zu tun, ich gebe es zu. Manchmal wird dieses Sendungsbewusstsein enttäuscht, der Beschenkte mag das Buch nicht. Dann verschenke ich beim nächsten Mal aus Trotz ein Buch, dass ich selbst nicht kenne.

Noch heikler: Am Ende ist es wirklich grottenschlecht, der Beschenkte ärgert sich und ich habe ein schlechtes Gewissen.

Manchmal funktioniert es aber auch.

Vorliegendes Buch also war ein Geschenk - das finde ich erstens toll, weil ich Geschenke per se mag, und zweitens, weil ich es mir selbst wahrscheinlich nicht gekauft hätte. Wegen des Titels. Die Geschichte einer Ehe. Langweilig. Aber gut. Geben wir dieser Geschichte einer Chance.

Sie spielt in den 1950er Jahren, handelt von Pearlie, einer braven Gattin und Hausfrau, die mit Mann, Kind und Hund in einer adretten, sauberen, idyllischen Vorstadt von San Francisco lebt. Ihr Mann, Holland, ist vom Krieg stark traumatisiert - Pearlie weiß nicht wirklich, woher, versucht jedoch, deshalb alles wasHolland ärgern, erschrecken oder durcheinander bringen könnte, von ihm fern zu halten: Sie besorgt einen Hund, der nicht bellt. Sie durchforstet morgens die Zeitung und schneidet alle Schreckensmeldungen heraus, die Holland aus seiner lethargischen Geborgenheit reißen könnte. Und sie hält den Plan vor ihm geheim, der sein Leben verändern soll.

Eines Tages steht nämlich Buzz vor der Tür, ein teuer gekleideter, schöner Mann mit vollendeten Manieren und eröffnet Pearlie Ungeheuerliches: Er ist ein alter Freund Hollands aus Kriegstagen. Nicht nur das, er war sein Liebhaber, und er möchte ihn zurück. Buzz bietet Pearlie ganz unverfroren einen Deal an: Du gibst deinen Mann frei und ich ermögliche dir und deinem Sohn dafür mit meinem Geld ein sorgenfreies Leben.

Und Pearlie, die ihm nur das Beste für Holland will, die sich, ganz dem Rollenbild ihrer Zeit verhaftet, keine eigene Meinung erlaubt und nichts hinterfragt - Pearlie geht auf diesen Plan ein. Wenn dieses Leben mit Buzz für Holland das Beste sein soll, dann wird sie ihm nicht im Weg stehen. Aber so einfach ist es natürlich nicht.

Ein schönes Buch, keine Frage, mit einer wunderbaren Sprache und einem interessanten Thema.

Zwei Dinge habe mich gestört:

Erst am Ende des langen, ersten Kapitels erfahre ich, dass Pearlie schwarz ist. Pearlie, Holland und ihr Sohn sind eine schwarze Familie in einer weißen Vorstadt, zu einer Zeit, in der die Rassentrennung in den USA noch Normalität war. Buzz ist weiß. Das alles erfahre ich erst im letzten Satz des ersten Kapitels, nachdem die Figuren dieser Geschichte bereits 67 Seiten lang in meinem Kopf existieren. Und dort sind sie natürlich nicht schwarz. Vielleicht will der Autor mir so einen Spiegel vorhalten, mir zeigen, welchen Klischees, Stereotypen und falschen Vorstellungen ich verhaftet bin, ohne es zu merken. Ich als Leserin aber ärgere mich. Ich fühle mich veräppelt. Und habe für die restlichen fast 200 Seiten große Probleme, mir diese Figuren vorzustellen, weil meine erste Vorstellung immer mit meiner zweiten kollidiert.

Irritiert hat mich außerdem, wie Pearlie die homosexuelle Beziehung hinnimmt. Diese Geschichte spielt in den prüden 1950er Jahren, ich glaube es ihrer Protagonistin einfach nicht, dass sie diesen Nebenbuhler so gleichmütig akzeptiert. Nein, sie scheint den engelsgleichen Buzz und Holland, dessen Schönheit sie immer wieder beschwört, sogar für das bessere Paar zu halten. So überzeugt ist sie davon, dass sie sich gar nicht vorstellen kann, Holland könnte anderer Meinung sein und gar nicht mit Buzz weggehen wollen.
Das Dreieck Pearlie-Holland-Buzz wirft so viele Fragen auf, streift so viele Konflikte - aber es sucht keine Antworten, lässt keinen Konflikt zu: Die Belastung, schwarz zu sein, in einer weißen Gesellschaft. Die Belastung einer homosexuellen Beziehung, die damals verboten war. Die Angst, das Kartenhaus einer heilen Familie zu verlassen. Die Angst vor gesellschaftlicher Ächtung.

Das alles brodelt nur unter der Oberfläche. Währenddessen irren Buzz und Pearlie über einen Nebenschauplatz, verrennen sich in die Vorstellung, Holland betrüge sie beide mit einem jungen (weißen) Mädchen, das sie in Zukunft von ihm fernhalten müssen.

Weil die ganze Geschichte dieser Ehe konsequent aus der Sicht von Pearlie erzählt wird, bleiben die anderen Figuren, vor allem Holland, unscharf, fast unsichtbar. Pearlie selbst ist gefangen in ihrer Zeit, sie hat nie etwas anderes gelernt als sich Männern unterzuordnen. Sie tut alles für ihren Gatten. Aber auch für den weißen Mann, der an ihrer Tür klingelt.

Holland entscheidet sich schließlich gegen Buzz und für die Frau, die brav jeden Morgen die Zeitung für ihn zensiert.

Andrew Sean Greer. Die Geschichte einer Ehe. Fischer, 2009. (Engl. The Story of a Marriage)

Donnerstag, 5. November 2009

Kino. Ein Fragebogen

Hier geht es ja eigentlich um Bücher, aber weil alle Filme irgendwann einmal Bücher waren, passt dieser Fragebogen doch ganz gut.

Via Kaltmamsell.

Name a movie you have seen more than 10 times.

Cocktail. Mindestens 100 Mal. Kann ich mitsprechen. Und dafür schäme ich mich nicht. Außerdem: Much Ado About Nothing. Vier Hochzeiten und ein Todesfall. Singles. Freundinnen. Allein unter Frauen. Abgeschminkt. Stadtgespräch. Many more.


Name a movie you’ve seen multiple times in the theater.

Ich war drei Mal in Don Juan DeMarco mit Johnny Depp. Schäm ich mich auch nicht für.


Name an actor who would make you more inclined to see a movie.

Alan Rickman. George Clooney. Alan Rickman. Emma Thompson. Stephen Fry. Alan Rickman. Harrison Ford. Brad Pitt. Irgendwie fallen mir gerade keine Frauen ein.


Name an actor who would make you less likely to see a movie.

Steven Segal. Til Schweiger. Colin Farrell.


Name a movie you can and do quote from.

Nach kürzerem Nachdenken: Weniger als ich dachte. Cocktail, natürlich („Lass sie in Frieden, sie ist schwanger!“). Vier Hochzeiten und ein Todesfall. About a Boy. Life of Brian. Ich kann mir auch kaum Zitate aus Büchern merken. Dafür ist mein Gehirn nicht gemacht.


Name a movie musical in which you know all of the lyrics to all of the songs.

Keines. Ich bin kein Fan von Musicals. Schauspieler sollen sprechen, nicht singen. Punkt.


Name a movie you have been known to sing along with.

Der bewegte Mann und Stadtgespräch. Beide Soundtracks liebe ich noch heute wegen Max Raabe bzw. den Della-Reese-Songs, die Filme habe ich seit Jahren nicht mehr gesehen.


Name a movie you would recommend everyone see.

Inglorious Basterds. Das klingt jetzt kitschig, aber ich saß im Kino und wusste nach zehn Minuten: Ich seh hier gerade was ganz großes. Und ich will die DVD.


Name a movie you own.

Mir gehört kein Film. Wie wird man Filmbesitzer?


Name an actor who launched his/her entertainment career in another medium but who has surprised you with his/her acting chops.

Heike Makatsch.


Have you ever seen a movie in a drive-in?

Nein.


Ever made out in a movie?

Leider ja. Ich habe meinen ersten Kuss im Kino bekommen. Der Typ war schrecklich, der Film erst recht (Robin Hood - Helden in Strumpfhosen). Ich wollte nichts von dem Typen und der Typ wollte was von meiner Freundin. Ich dachte, irgendwann muss man diese Beziehungsgeschichten halt mal anfangen, warum also nicht mit ihm. Er dachte, irgendwie müsste er ja an K. rankommen, warum nicht über N. Es war Dezember, es war 1993, wir verabredeten uns fürs Kino. Das klingt banal, grenzt aber an ein schier undurchführbares Unterfangen, wenn man 14 ist und sechs Kilometer entfernt vom Kino wohnt. Die Eltern zu überreden, mich ins Kino zu fahren, war noch einfach. Die beste Freundin zu überreden, mitzukommen, auch. Auf der Hinfahrt: Schneeregen, vor uns ein Wagen im Graben. Mein Vater, hilfsbereit, fährt rechts ran, steigt aus. Von hinten: Fahranfängerin aus dem Nachbarkaff, bremst zu spät, schlittert, fährt uns hinten rein. Ich, verzweifelt. Schließlich halten andere Leute aus einem anderen Nachbarkaff und fahren meine Freundin und mich ins Kino. Dort wartet, bereits genervt, der Typ mit einer Horde von Freunden. Während des Films: Verkrampftes Händchenhalten, schließlich Kuss an der langweiligsten Stelle des Films (die Helden in Strumpfhosen führten einen seltsamen Tanz auf). Nach dem Film: Wiederholung hinter den Mülltonnen. Ich, enttäuscht, frustriert. Mache schließlich Schluss per Brief und küsse drei Jahre lang niemanden.


Name a movie you keep meaning to see but you just haven’t gotten around to yet.

So viele, dass ich mittlerweile eine Liste darüber führe, die ich immer vergesse herauszuholen, wenn wir eine DVD ausleihen,


Ever walked out of a movie?

Leider nein. Obwohl ich es gerne getan hätte bei: Alexander, Fluch der Karibik 2 (besonders an den Stellen, an denen P. neben mir lauthals lachte) und Begegnung des Schicksals.

Name a movie that made you cry in the theater.

Ich heule so gut wie immer im Kino, ich bin ein Heulgarant!


Popcorn?
Kaufe nie welches, bediene mich aber ungeniert, wenn Freunde welches haben und kann dann auch nicht aufhören. Nennt man das Gier? Verfluche den Menschen, der Nachos und Konsorten im Kino eingeführt hat. Noch mehr die Menschen, die mal mit Tüten voller Take-Away-Food vom Chinesen ins Multiplex kamen und natürlich neben mir saßen. Roch eklig.


How often do you go to the movies.

Leider viel seltener als früher, weil ich nicht mehr in der gleichen Stadt wohne wie E., die mit mir in einfach jeden Film gegangen ist.

What’s the last movie you saw in the theater?
Das weiße Band.


What’s your favorite/preferred genre of movie?
Drama, Komödie, gut gemachter Thriller. Aber auch Sachen die mich aufwühlen, die ich schrecklich finden möchte, weil sie so gut sind wie Alle anderen.


What’s the first movie you remember seeing in the theater?
Disneys Schneewittchen, ich schätze, 1984, als es in den Stadtsaallichtspielen bei uns daheim noch ungepolsterte Sitze gab. Zumindest in meiner Erinnerung. Habe mich schrecklich gefürchtet.


What movie do you wish you had never seen?
Bram Stoker's Dracula mit Gary Oldman. Ich war 13, es war ein Sonntagnachmittag, es waren nur fünf Leute im Kino und ich fühlte mich wahnsinnig erwachsen. In der folgenden Nacht habe ich mich zum letzten Mal in die Besucherritze zwischen meine Eltern gelegt, weil ich alleine im Bett nicht schlafen konnte: Immer, wenn ich die Augen zumachte, sah ich diese Vampirin, der sie ein Kreuz in die Brust rammen und dann kommt eine Blutfontäne aus ihrem Mund. Hat mich wochenlang verfolgt.


What is the weirdest movie you enjoyed?
Burn after Reading.


What is the scariest movie you’ve seen?
Bram Stoker's Dracula. Davor: Der Zauberer von Oz.


What is the funniest film you have ever seen?
Viele. Aber Vier Hochzeiten und ein Todesfall wäre auf jeden Fall unter den ersten fünf.

Mittwoch, 19. August 2009

Judith Lennox: Die geheimen Jahre

Widmen wir uns heute einem wichtigen Stilelement historischer und zeitgenössischer Literatur: Der unheilvollen Dreier-Konstellation. Auch bekannt als: Eine Frau zwischen zwei Männern. Sie schmückt Shakespeare'sche Komödien ebenso wie aktuelle TV-Doku-Dramen, und auch die Bücher von Judith Lennox.

Die spielen meist in der Vor-, Zwischen- oder Nachkriegszeit und kreisen dabei unablässig um die eigensinnige, rothaarige weibliche Hauptfigur, um die wiederum zwei kernige, nicht minder eigensinnige Kerle buhlen. Judith Lennox kann man dabei noch zugute halten, dass sie es versteht, gleichzeitig historische Themen aus dem frühen 20. Jahrhundert anschaulich zu verpacken. 

Aber schon nach ein paar Seiten ist klar: Es geht doch nur um die Rothaarige und die beiden Kerle – nur einer kann die holde Maid haben, also wird der andere wohl leider sterben müssen. Bis dahin wird es noch ein paar Missverständnisse und Verwicklungen geben, die man auch bei Shakespeare, "Verbotene Liebe" oder verschiedenen TV-Doku-Dramen (Sturmflut, Mauerbau...) schon gesehen hat, und dann wird die Rothaarige nach 700 Seiten erleichtert einem der Kerle in die Arme sinken. Happy End. Kennste eine, kennste alle. Und im vorliegenden Buch gibt's sogar noch ne Sturmflut mit dazu.

Das liest sich so locker weg, dass man beschließt, nun aber wirklich genug von Judith Lennox gelesen zu haben. Gleichzeitig erfolgt der Schwur, sich in Zukunft wieder häufiger durch die Empfehlungen des Feuilletons zu ackern, ja sich vielleicht sogar noch mal T.C. Boyles The Women vorzunehmen. In Wahrheit ist auch hier der Verlauf programmiert: Es wird der Winterabend kommen, an dem das Leserherz nach einer unheilvollen Dreier-Konstellation lechzt, und da wird Judith Lennox warten und eine neue Schnulze bereit halten. Seufz.

Judith Lennox. Die geheimen Jahre. Piper, 720 Seiten. (Engl. The Secret Years)


Tom Wolfe: Fegefeuer der Eitelkeiten

Schon der Name. Könnte nicht treffender, verräterischer sein. Erzählt eigentlich schon die ganze Geschichte. "Sherman McCoy". Das ist die Hauptfigur in diesem 900-Seiten-Epos, in dem die Geschichte fast 400 Seiten braucht, um in Gang zu kommen – und trotzdem steht auf diesen 400 Seiten kein überflüssiges Wort. Und auch auf keiner der folgenden.

Sherman McCoy ist genauso, wie sein Name klingt. Stinkreich, schnöselig, oberflächlich. Ein New Yorker Finanzgenie mit riesigem Apartment an der Park Avenue, teuren Anzügen, frigider Ehefrau und einer durchgeknallten Geliebten. Allein diese Geliebte, Maria. Wie sie mit ihrem Südstaaten-Slang seinen Namen ins Lächerliche zieht. "Shumun", nuschelt Maria und zieht dem selbst ernannten Master of the Universe mit zwei Silben die Hosen aus. Es dieses Genuschele, das Sherman McCoy noch das Genick brechen wird.

Sherman McCoys angenehmes Leben nimmt eine unangenehme Wendung, als er sich zusammen mit Maria auf der Fahrt vom Flughafen nach Manhattan in die Bronx verirrt. Es gibt ein Missverständnis mit zwei jungen Männern am Straßenrand, als dessen Folge Maria das Steuer übernimmt, Gas gibt und einen der Männer anfährt. Einer klassischer Fall von Fahrerflucht – dass er mit seiner Geliebten unterwegs war, von der keiner wissen darf, ist bald Shermans geringstes Problem. 

Es treten auf: Ein junger, erfolgshungriger Staatsanwalt, ein versoffener abgebrannter Journalist, ein schwarzer Bürgerrechtler – und noch ein paar andere Gestalten, die bald wie die Aasgeier um Shermans kleine, feine Park-Avenue-Existenz kreisen. Denn bald nach dem Unfall liegt der junge Mann aus der Bronx mit lebensgefährlichen Verletzungen im Krankenhaus, Sherman wird als Unfallflüchtiger identifiziert – und damit Hauptfigur, Star oder Opfer (wie man will) eines Feldzuges gegen den "großen weißen Angeklagten", Bronx gegen Manhattan, Schwarz gegen Weiß, Arm gegen Reich. An Sherman soll ein Exempel statuiert werden, er soll bluten für die Ungerechtigkeiten einer Stadt, der ganzen Welt, und einem Oberstaatsanwalt nebenbei auch noch zu ein paar wichtigen Wählerstimmen verhelfen.

Und so kommt langsam die Geschichte in Gang, anfangs noch schleppend, quietschend greifen die Zahnräder ineinander, bis am Ende alles wirklich läuft wie geschmiert und auch der letzte Aasgeier sein Stück vom Kuchen bekommen hat.

Großartiges Buch. Und passt, obwohl schon 20 Jahre alt, hervorragend zur Finanzkrise.

Tom Wolfe. Fegefeuer der Eitelkeiten. Rowohlt, 928 Seiten. (Engl. Bonfire of Vanities)

Freitag, 3. Juli 2009

Marc Buhl: drei sieben fünf

Gute Literatur muss nicht viel Worte machen, sie braucht auch keine großen Worte, und keine geschliffenen Sätze. Gute Literatur braucht einfache Worte, Sätze, denen alle Schnörkel abgewetzt wurden und die mit wenig Worten alles sagen. Gute Literatur, das ist Marc Buhl, und er schreibt solche Sätze.

"Irgendwann war die Zeit ganz aus den Fugen geraten. Die Zeit und der Raum. Mal war sein Körper so aufgedunsen, dass er die ganze Zelle füllte und sie fast platzte. Ein andermal war er so klein, dass er Angst hatte, in einem der Ritze zwischen den Wülsten der Wand zu verschwinden."

Der, um den es geht, ist Paul Cremer. Er war einmal diese Nummer, die dem Buch seinen Namen gibt. 375. Paul Cremer weiß das nicht mehr, denn er hat sich in den Kopf geschossen. Damit hat er zwar nicht sein Leben ausgelöscht, aber die letzten 18 Jahre. Für Paul Cremer, der in einer Reha-Klinik im Badischen liegt, ist es 1989, er ist 22 Jahre alt, verliebt in Hanna, wohnt in Berlin.

Das, was er ausgelöscht hat, sind die Monate als letzter Häftling der Staatssicherheit der DDR, kurz vor der Wende, und die Jahre der Verdrängung danach. Auf Kapitel, in denen Cremer versucht, sich an das Jahr 2007 zu gewöhnen, folgen Kapitel, die aus dem Jahr 1989 erzählen. Wie er aus, scheinbar, heiterem Himmel festgenommen wird. Die Einlieferung ins Gefängnis. Die kahle Zelle, in der es nach Urin riecht. Die Neonröhre an der Decke, die immer brennt und ihn nicht schlafen lässt. Die endlosen Verhöre. Cremers Angst, seine Wut, seine Resignation. Diese Kapitel tun fast körperlich weh, sie gehen einem nah, weil sie dicht beschrieben sind, und am liebsten würde man das Kapitel einfach auslassen oder das Buch zuklappen. Dem Unrecht, das geschehen ist, einfach den Rücken zu kehren.

Cremer hat das wohl versucht, in den Jahren nach der Haft, aber es hat ihn eingeholt, nicht mehr losgelassen, er wollte nicht mehr leben deswegen. Nachdem er aus dem Koma erwacht ist, stellt sich nicht nur die Frage, was passiert ist, sondern vor allem: Will oder soll er es überhaupt wissen? Nein, sagt sein Therapeut, der meint, das wir uns an manches auch deswegen nicht erinnern, um uns zu schützen. Doch, sagt ein todgeweihter Mit-Patient. Alles andere kratze nur an der Oberfläche. Cremer müsse sich erinnern, um aus der Vergangenheit Kraft zu schöpfen wir die Zukunft, wie auch immer die aussehe.

Der Vergangenheit können wir nicht entkommen, nicht einmal mit einer Kugel im Kopf. Sie holt uns ein - aber das muss nichts schlechtes bedeuten. Für Cremer gibt es sogar ein Happy End.

Marc Buhl. drei sieben fünf. Eichborn, 2007.

Mittwoch, 10. Juni 2009

Jaume Cabré: Die Stimmen des Flusses

Nach ein paar Seiten wollte ich dieses Buch wieder weg legen. Weil ich auch nach fast 100 Seiten noch nicht wirklich viel verstanden hatte. Ständig wechselten die Orte, die Zeiten, die Personen. Mal war es der Vatikan, dann wieder ein Bergdorf in den Pyrenäen, mal 1943, dann wieder 2005, mal waren die Figuren jung, dann wieder uralt - und das alles auf einer einzigen Seite, ein Gewirr aus Stimmen, Gefühlen und Bildern. Dazu so viele Informationen, die ich nicht einordnen konnte, weil ich kaum etwas weiß über das Spanien der Franco-Zeit.

Man muss dieser Geschichte Zeit geben, sich auf sie einlassen - wenn man das geschafft hat, zieht sie einen in ihren Bann und es ist plötzlich ganz einfach, ihr zu folgen. Cabré schafft es, dass Vergangenheit und Gegenwart manchmal gleichzeitig stattfinden, mühelos blendet er in einem Satz vom Jahr 1943 ins Jahr 2005 und wieder zurück. Erzählen die Figuren ihre Geschichte, scheint ihr jüngeres Alter Ego daneben zu stehen, es nimmt den Faden auf und plötzlich sind wir mitten drin. Und das alles ohne harte Schnitte, als würden die Zeiten unmerklich miteinander verschwimmen.

Und was ist die Geschichte?
 1943 kommt der junge Lehrer Oriol in das Pyrenäen-Dorf Torena. Schnell versuchen die Franco-Anhänger, allen voran der brutale Bürgermeister, ihn zu instrumentalisieren. Er scheint sich nicht zu wehren, seine Frau beginnt, ihn zu verachten, Dorfbewohner schneiden ihn. Gleichzeitig verfällt ihm die reiche und mächtige Elisenda. Im Herbst ist Oriol tot, ermordet von Gegnern des Regimes, und Elisenda treibt seine Seligsprechung voran.
Im Jahr 2005, kurz bevor im Vatikan eben diese Seligsprechung vollzogen werden soll, entdeckt die Lehrerin Tina das Tagebuch Oriols, einen langen Brief an seine Tochter, den er kurz vor seinem Tod geschrieben hat. Tina beginnt an Oriols öffentlichem Bild zu zweifeln, war er wirklich der, für den ihn alle halten? 

Mit ihren Nachforschungen kommt die wahre Geschichte an die Oberfläche, und so wird aus Die Stimmen des Flusses eine Familiensaga, eine Dorfchronik, ein Krimi, eine Liebesgeschichte – über sechs Jahrzehnte, bis zum Schluss atemlos erzählt.

Jaume Cabré. Die Stimmen des Flusses. Suhrkamp, 666 Seiten. 

Wolfgang Koydl: Fish and Fritz. Als Deutscher auf der Insel

Seltsamerweise lesen sich manche Sachen auch nach dem hundertsten Aufguss immer noch ganz amüsant. In diese Kategorie gehören neben Krimis auch Erlebnisberichte von Auslandskorrespondenten. 

Ganz besonders hervor stechen hier Großbritannien-Korrespondenten, denn eigentlich hat keiner auch nur etwas neues zu berichten, und das schon seit Jahrzehnten. Nicht nur ist immer noch die Königin die gleiche, nein, auch die Briten selbst haben sich kaum verändert (mal abgesehen davon, dass sie jetzt vielleicht besseres Essen kochen): Sie stehen Mischbatterien noch immer feindlich gegenüber, sie wetten immer noch gerne, sie haben noch immer einen bizarren Humor und so weiter.

Die Erfahrungen der Korrespondenten unterscheiden sich demnach auch nicht einmal in Details voneinander: Wir begleiten den Korrespondenten und seine Familie, wie sie kopfschüttelnd Schuhkarton-große, überteuerte Häuser besichtigen, durch Hotelflure irren, den Klempner von einer Mischbatterie überzeugen wollen und so weiter.

Trotzdem ist es jedes Mal wieder schön – denn während sich anspruchsvolle Literatur so liest, wie sich ein Tag auf Zehn-Zentimeter-Stilettos anfühlt, dann gehört der  Auslandskorrespondenten-Bericht zu den bequemen Hausschuhen, in die man nach einem harten Stiletto-Tag gerne schlüpft. Vor allem, wenn man Großbritannien mag, und die Briten auch ein bisschen kennt.

Wolfgang Koydl macht also nichts anders als die Kollegen, aber er macht es gut. Als loser roter Faden ziehen sich übrigens seine Bemühungen, die Königin persönlich zu treffen, durchs Buch. Was daran wahr und was erfunden ist, wage ich mir nicht vorzustellen - aber es hat großen Spaß gemacht.

Wolfgang Koydl. Fish and Fritz. Als Deutscher auf der Insel. Ullstein, 2009.

Freitag, 22. Mai 2009

Richard Yates: Easter Parade

Wie wird man eigentlich glücklich? Ist mein Weg der Königsweg oder deiner? Muss man dazu in New York leben, unabhängig, sein eigenes Geld verdienen, jede Woche andere Männer treffen - wie Emily? Oder findet man das Glück in der Vorstadt, mit dem gutaussehenden Ehemann, dem kleinen Häuschen und den vier Söhnen – wie Sarah?

Emily und Sarah sind zwei Schwestern, intellektuell und in sich gekehrt die eine, offen und ein bisschen einfach, die andere. Die Voraussetzungen, die ihnen das Leben mit gibt, sind identisch - geschiedene Eltern, die Mutter launisch und trinksüchtig, der Vater depressiv und erfolglos, die Mädchen geprägt durch die Streitereien der Eltern und unzählige Umzüge.
Beide brechen so früh wie möglich aus dieser Unglücks-Spirale aus: Sarah heiratet früh - zwar nicht den Erst- aber den Zweitbesten – und wird schnell Mutter; Emily zieht nach New York, geht aufs College, macht ein bisschen Karriere, hat viele Beziehungen.

Sobald aus den Mädchen erwachsene Frauen werden, eröffnen sie einen traurigen, verletzenden Wettbewerb – welcher ist der Königsweg zum Glück? Deiner, meiner? Welche Schwester lebt das bessere Leben? Je stärker die beiden konkurrieren, desto mehr entfremden sie sich. Sie haben sich nichts mehr zu sagen, betrachten das Leben der jeweils anderen herablassend, mitleidig, fast spöttisch. Jede scheint für sich zu glauben, das eindeutig bessere, erfülltere Leben zu leben – und versucht die Schwester davon zu überzeugen. Beide übersehen dabei die eigenen Probleme und die der Schwester sowieso, bis es zu spät ist.

Die Moral der Geschichte ist bitter: Den obwohl beide Frauen völlig unterschiedliche Wege eingeschlagen, erreichen sie doch das gleiche Ziel. Es ist ein sehr einsames.

Richard Yates. Easter Parade. Btb, 296 Seiten. 

Zwei Mal Rankin

Natürlich mag ich anspruchsvolle Literatur. Selbstverständlich sollen es Bücher einem nicht immer leicht machen, sie sollen einen herausfordern, bestenfalls reibt man sich an ihnen. Anstrengend dürfen sie bisweilen auch sein, über die anstrengenden lässt sich sogar mehr sagen, man muss sich ein bisschen über sie aufregen. Manchmal zählt man sie deshalb zu den schlechteren Büchern, aber gerade von diesen bleibt mehr hängen.

Ich mag anspruchsvolle Literatur, aber ich lese nicht immer welche. Ich mag ja auch tolles Essen und gehe trotzdem hin und wieder zu McDonald's. Aber Ian Rankin hier mit einem Burgerbrater zu vergleichen, ist unpassend. Er schreibt sehr gute Krimis auf gehobenem, gut bürgerlichem Niveau. Also eher Geschnetzeltes mit Spätzle. Weiß man, was man kriegt, schmeckt gut, weiter geht's.

Das Souvenir des Mörders erfüllt demnach alle Erwartungen: Inspector Rebus muffelt sich wie gewohnt durchs verregnete Schottland, pendelt zwischen Edinburgh, Glasgow und Aberdeen genauso wie zwischen drei Mordfällen. Legt sich - wie vertraut! - mit allen zur Verfügung stehenden Vorgesetzten an, und ist am Ende doch wieder der einzige, der alles durchschaut und die Fälle lösen kann. Dazwischen trinkt er eine halbe Distille leer oder hängt, wie er es selbst nennt an der "Whisky-Infusion". Er isst nichts oder schlechtes Zeug, wäscht sich selten oder kaum ausreichend. Dass Frauen trotzdem noch seine Nähe suchen, ist einer der wenigen unglaubwürdigen Aspekte dieses Buches. Einer der säuft, kaum schläft, sich nur ab und zu wäscht und auch noch stark auf die 50 zu geht, taugt nicht zum Womanzier, auch wenn er die Hauptfigur einer sehr erfolgreichen Krimireihe ist.

Michael Weston, der Auftragskiller aus Bis aufs Blut ist das absolute Gegenteil - vielleicht hatte Ian Rankin auch mal Lust auf einen Protagonisten, der täglich die Unterhosen wechselt. Weston ist Mitte 30, sieht gut aus, verdient abartig viel Geld - aber eben mit Auftragsmorden. Er ist ein Scharfschütze, das heißt, er erledigt seine Opfer aus sicherer Entfernung. Nur - beim letzten Mal hat ihn wohl jemand verpfiffen, die Polizei kommt ihm gefährlich nahe, ebenso ein dicker versoffener und verkokster Privatdetektiv aus New York. Anstatt sich abzusetzen beißt sich Weston an der irrsinnigen Idee fest herausfinden zu müssen, wer ihn verpfiffen hat und begibt sich auf eine wahnwitzige Schnitzeljagd von London über Schottland bis nach Seattle. Bei der sich der Leser, im Gegensatz zur Hauptfigur selbst, relativ frühzeitig fragt, ob der smarte Killer sich nicht gerade den Holzweg frei schießt.
Was spannend und ungewöhnlich beginnt, wird zu einer völlig überdrehten Hatz ohne Rücksicht auf Verluste, mit viel Kollateralschaden und allen Details zu Waffen, die Ian Rankin recherchieren konnte. Das war dann wirklich zu martialisch. Dass ich trotzdem bis zum Ende dabei blieb, lag nur daran, dass ich ein bisschen verschossen war in Michael Weston. Aber nur ein bisschen.

Ian Rankin. Das Souvenir des Mörders. Goldmann, 2005. (Engl. Black & Blue)

Ian Rankin. Bis aufs Blut. Goldmann, 2009. (Engl. Bleeding Hearts)

David Benioff: City of Thieves

Seit fast zwei Monaten drücke ich mich darum, über dieses Buch zu schreiben, weil es so großartig war, dass ich vielleicht gar keine Wort dafür finde. Oder ich finde welche, und sie klingen nur hohl, und umreißen nicht einmal ungefähr die Geschichte, die David Benioff auf atemlosen, poetischen 309 Seiten erzählt. Aber einen Versuch ist es wert, auch weil Annett zu Recht drängt.

"My grandfather, the knife fighter, killed two Germans before he was eighteen."

Ich lese diesen ersten Satz, und noch bevor ich weiter lese weiß ich, dieses Buch ist wunderbar. Erste Sätze sind wichtig, sie sind die Eingangstür für jeden Text, an ihnen entscheidet sich in wenigen Sekunden, ob man über die Schwelle tritt, ob man sich auf die Geschichte einlässt, auf die Sprache, den Stil.

Man tritt also durch die Tür und von irgendwo fällt ein schwacher Lichtstrahl in den dunklen Flur, die Geschichte wird kurz sichtbar. Der Großvater hat zwei Deutsche getötet, vor seinem 18. Geburtstag. Er verrät nicht viel, dieser Lichstrahl, aber er zieht einen weiter in dieses dunkle Haus, in die Geschichte. Wer ist dieser Großvater, was ist ihm passiert?

Lew ist dieser Großvater, im Januar 1941 ist er 17 Jahre alt, ein schmächtiger, halb verhungerter jüdischer Junge, der Vater tot, Mutter und Schwester aus Leningrad geflüchtet. Dort verschanzt sich Lew mit anderen, halben Kindern, und eines Nachts baut er Mist und landet im Gefängnis. Vom Krieg längst aller Illusionen beraubt, rechnet Lew mit dem sicheren Tod. Da stecken sie Kolja zu ihm in die Zelle, einen blonden, selbstverliebten Dissidenten. Keine 24 Stunden später stehen die beiden in der klirrenden Kälte und begeben sich auf die Suche nach zwölf Eiern. Der Geheimdienstchef hat sie auf diese Reise geschickt - "bringt mir zwölf Eier für die Hochzeitstorte meiner Tochter" - schaffen sie es bis zum Ende der Woche, sind sie frei. Der Geheimdienstchef weiß, wie unlösbar diese Aufgabe ist, nirgendwo in Leningrad gibt es zu dieser Zeit solche Luxusgüter, geschweige denn lebende Hühner, die welche produzieren könnten. Überall wimmelt es vor Soldaten, Spionen, Nazis. Die beiden Jungs auf diese Reise zu schicken, bedeutet ihren sicheren Tod, und der Geheimdienstchef hat seine sadistische Freude daran.

Aber er unterschätzt, welche Kräfte in einem frei werden, wenn der Tod einem an den Hacken klebt. Und er weiß nicht, welche Macht Freundschaft entwickeln kann.

Lew und Kolja machen sich auf den Weg und es wird eine gefährliche, verrückte, fantastische, manchmal rührende, oft beängstigende, grausame Suche.
Die Geschichte darüber kann man aber eigentlich gar nicht erfinden. Und wenn doch - es ändert nichts daran, dass sie großartig ist.

David Benioff. City of Thieves. Sceptre, 2009. (Dt. Stadt der Diebe)

Montag, 27. April 2009

Randnotiz: The Women

Ich kann nicht mehr: Nach fast vier Wochen mit den ersten 160 Seiten von The Women habe ich aufgegeben. Vielleicht ist es ein wirklich gutes, genau recherchiertes, detailliert geschriebenes Buch. Wahrscheinlich werde ich das nie herausfinden. Genauso wahrscheinlich werde ich auch nie herausfinden, wie es weiter geht und wie es endet. Aber: wenn die restlichen geschätzten 400 Seiten ähnlich interessant sind wie die ersten 160, hab ich mit Sicherheit nichts verpasst.

Woran lag's? Erklärungsversuche:

1. T.C. Boyle ist eigentlich eine sichere Bank, dachte ich. Die Bücher sind immer toll, America war toll, Dr. Sex war toll, Talk Talk war toll. Immer ein anderes Thema, immer ein anderer Stil, trotzdem der gleiche Autor, wer kann das schon. Was ich verdrängt hatte: So sicher ist die Bank nun auch wieder nicht. Grün ist die Hoffnung habe ich zwar nur schemenhaft in Erinnerung, sicherlich aber nicht als sensationelles Buch. Wassermusik mögen zwar viele Männer empfehlen, aber auch das habe ich nach sehr wenigen Seiten aufgegeben. Fazit: T.C. Boyle ist eine Wundertüte, aber so sieht er ja auch ein bisschen aus, oder?

2. Vielleicht lag es auch am schlechten Start in Kombination mit einem fulminaten Vorgänger: Nach zwei atemlosen Lesetagen beendete ich während des Heimfluges von Teneriffa nach Deutschland völlig ergriffen City of Thieves. Leider waren wir da noch nicht mal auf Flughöhe und noch vier Stunden zu füllen. Es gab keinen guten Film, die Frauenzeitschriften kannte ich schon, die Zeitung hatte ich schnell durch, also griff ich zu The Women. Und während die Triebwerke röhrten, las ich die ersten Seiten gefühlte 100 Mal und kapierte nur sehr wenig.

3. Sasa Stanisic schreibt in seinem Blog: " T.C. Boyle ist gelegentlich übergenau. Das stört mein Lesevergnügen. (...) Das Unungefähre." Vielleicht ist das Problem von Leuten, die sehr gut beschreiben können. Die sich nicht mehr trauen, auch mal etwas wegzulassen. Oder es ist das Problem sehr erfolgreicher Autoren, denen keiner mehr sagt, dass sie die 300 Seiten in Kapitel 25 bitte streichen sollen, aber dalli. Man nennt es auch die John-Irving-Krankheit oder das Harry-Potter-Teil-5-Syndrom. Oder: Kaum Platz für eigene Gedanken.

4. Eigene Gedanken möchte ich mir aber auch gar keine machen. Frank Lloyd Wright mag ein toller Architekt gewesen sein und T.C. Boyle wohnt - das hat er in jedes Mikrofon erzählt - sehr gern in einem von ihm erbauten Haus. So gern, dass er unbedingt Wrights Geschichte aufschreiben musste. Nein, falsch. Wrights Geschichte hätte ich vielleicht gerne gelesen. Die der morphiumsüchtigen Ex im Wechsel mit den Problemen der depressiv veranlagten neuen Frau nicht.

5. Auch störend: Der Klugscheißer-Erzähler und seine Klugscheißer-Fußnoten.

*

Um den Kopf frei zu kriegen also ein Krimi: Bin bei Ian Rankins Souvenir des Mörders auf Seite 313 und Inspector Rebus hat noch kein einziges nicht alkoholisches Getränk zu sich genommen. Dafür vergeht keine Seite, auf der kein Whiskey bestellt wird. Ist mir aber lieber als Fußnoten.

Dienstag, 14. April 2009

Kate Morton: The Forgotten Garden

Cornwall! Vergessene Gärten! Efeuumrankte Cottages! Alterwürdige Herrenhäuser! Geheimnisvolle Damen! Ein Findelkind! Eine unbekannte Kindheit! Ein vergilbtes Märchenbuch! Die weise Großmutter! Die vom Schicksal gebeutelte Enkelin! 

Mehr davon!

Vielleicht ist es ein banales Buch. Vielleicht hat man das bei Rosamunde Pilcher alles schon mal gesehen oder gelesen. Vielleicht ist das Ende vorhersehbar.

Na und, mein romantisches Herz braucht efeuumrankte Cottages und Findelkinder und Tränen-Sturzbäche auf den letzten Seiten. Kate Morton bedient einfach nur meine Bedürfnisse und ist zudem so nett, noch eine Liebesgeschichte einzubauen, die allerdings erst auf Seite 376 beginnt, was nichts macht, denn so wird die Haupthandlung wenigstens nicht gestört. Aber der schmachtende Gärtner mit den hart arbeitenden, dreckverschmierten Händen musste schon sein. Ganz ohne wäre nicht gegangen.

Ich empfehle dieses Buch uneingeschränkt allen, die ihre vierteljährliche Dosis efeuumranktes Cottage brauchen. Alle anderen erkennen den Zauber einfach nicht.

Kate Morton. The Forgotten Garden. Pan Books, 2008. (Dt. Der vergessene Garten)

Andrea Levy: Eine englische Art von Glück

Was diese "englische Art von Glück" ist, davon haben die vier Protagonisten dieses Buches ganz unterschiedliche Vorstellungen. Eine Chance, dafür einen gemeinsamen Nenner zu finden, haben sie nicht. Denn das Buch spielt in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. In England ist alles ärmlich, kalt und grau, eine Gesellschaft wie ein aufgeschürftes, von Dreck und Blut verkrustetes Knie.

Genau dort suchen Hortense und Gilbert aus Jamaika eben diese englische Art von Glück, der Kriegsheimkehrer Bernard will sie verteidigen, und seine offene, aufgeschlossene Frau Queenie will eine ganz neue erfinden - aber dafür ist sie ihrer Zeit ein paar Jahrzehnte zu weit voraus.

Im Orginal heißt das Buch "Small Island" - kleine Insel - ein Titel, der wie ich finde, viel besser passt. Da erträumen sich Gilbert und Hortense auf der kleinen Insel Jamaika, in der Kolonie, das "Mutterland" als ideale Welt, die ihnen offen steht - und landen doch nur auf einer weiteren kleinen Insel, die im Vergleich noch viel enger und engstirniger scheint als ihre karibische Heimat.
Bernard, der sich auf dieser kleinen Insel so bequem eingerichtet hatte, der aus der großen, weiten Welt endlich dorthin zurück kehrt, möchte keinen Platz machen für die Neuankömmlinge. Das Mutterland weist sie nicht nur ab, es leugnet schlicht ihre Existenz. Die große Verliererin dieses Buches aber ist Queenie, die vormacht, wie es gehen kann, wie man eine tolerante, bunte Gesellschaft gründet - und scheitert.

Ein gutes Buch, weil es so wenig gibt zu diesem postkolonialen Thema. Anstrengend fand ich die vier verschiedenen Stimmen und den in der deutschen Übersetzung arg bemühten jamaikanischen "Slang" - das liest sich im Original wahrscheinlich leichter.

Andrea Levy. Eine englische Art von Glück. Suhrkamp, 2008. (Engl. Small Island)

Freitag, 13. März 2009

Friedrich Ani: Idylle der Hyänen

Hab ich schon erwähnt, dass ich eigentlich keine Krimis mehr mag? Es gab Zeiten, da hab ich Krimis regelrecht in mich reingeschoben, all die Lynleys, Wallanders, Montalbanos und wie sie alle heißen. Bis sie mich im Allgemeinen langweilten (immer das gleiche) und im Besonderen ärgerten (weil aus den sehr schönen Lynley-Geschichten etwa ab Band 10 sehr seltsame, nicht lesenswerte Bücher wurden).

Ausnahmen mache ich heute nur noch sehr selten. Etwa für Simon Beckett - obwohl ich nicht weiß, warum. Seine Figuren und Plots unterscheiden sich kaum von denen seiner Kollegen und seine Bücher enden immer in einem derart überdrehten Show-down, dass es einem auf den letzten Seiten das Buch eigentlich vermiest.

Eine andere Ausnahme mache ich für Friedrich Ani. Aber da weiß ich auch nicht immer, warum. Die Erfindung des Abschieds fand ich großartig. Killing Giesing schlecht. Idylle der Hyänen liegt irgendwo dazwischen.

Für das Buch spricht:

- Der Ermittler. Polonius Fischer war mal Mönch, ist jetzt Kriminalkommissar in München und ermittelt natürlich ganz anders, als man ermitteln sollte und dürfte - aber das haben fiktive Kommissare ja so an sich. Aber er ist ein feiner Kerl. Und die Idee mit dem Mönch ist fast so genial wie die mit Tabor Süden, Anis anderem Kommissar.

- Die Stadt. Immer schön, wenn man weiß, wo sich die Figuren gerade befinden. Und Ani beschreibt so genau, dass man fast glaubt, sich selbst an genau dieser Münchner Straßenecke zu befinden. In einem kurzen Fernsehporträt, das ich vor einiger Zeit gesehen habe, hat er sogar erzählt, dass er sich alle Schauplätze seiner Romane vorher anschaut, um alles so wirklichkeitsgetreu wie möglich zu beschreiben. Find ich gut.

- Die Sprache. Ani kann mit drei, vier Sätzen und wenigen klaren, einfachen Worten alles beschreiben. Einen Menschen, einen Raum, ein Gefühl. Jeden dritten Satz könnte man für ein Seminar "Einführung in die Reportage" hernehmen und sagen: so geht's.

Nicht unbedingt für das Buch spricht:

- Die Handlung. Eine Frau stirbt, dann noch eine, ein Kind verschwindet. Eine der Toten ist eine ehemalige Nonne, was Polonius Fischer irgendwie ungut an seine eigene Geschichte erinnert. Der Plot war mir zu chaotisch. Zu offensichtlich gibt es die zweite Tote nur, um den Leser zu verwirren. Dramaturgisch nötig ist sie nicht. Der Fall ist so spannend genug.

- Die Figuren. Bis auf Polonius Fischer bleiben alle scherenschnittartig. Hier ein bisschen Klischee, da ein bisschen Eindimensionalität. Vielleicht wird das in den anderen Büchern besser, Idylle der Hyänen ist ja erst der erste Fischer-Roman.

- Die Sprache. Manchmal versteigt sich Ani in eine Art Bewusstseins-Strom und lässt die Figuren einfach alles regelrecht auskotzen. So derb liest es sich dann auch manchmal. Das ist literarisch vielleicht irgendwie wertvoll. Hat in einem Krimi aber nix zu suchen.

Ich geb ihm demnächst noch eine Chance, dem Fischer.

Friedrich Ani. Idylle der Hyänen. Dtv, 2007.

Freitag, 27. Februar 2009

Gedanken zu... Wohnsitzen

Ein sicheres Indiz dafür, dass man irgendwie Berühmtheit erlangt und es sogar zu etwas gebracht hat, ist die Angabe zweier Wohnsitze. Da liest man ein Interview mit oder ein Porträt über einen Sänger, Schauspieler, Politiker, Fußballer whatever und dann steht da ungefähr dieses: XY wurde 1964 in Wuppertal geboren, besuchte nach dem Abitur die Schauspielschule Z in AB. 1996 gelang ihm mit der TV-Serie C der Durchbruch. Er lebt mit Frau und vier Kindern in D und E.

Beispiele? Letztens auf Spiegel Online gelesen: Jon Fleming Olsen ("Dittsche") lebt in Hamburg UND Eckernförde. Martin Suter lebt auf Ibiza UND in Guatemala. Die Witwe von Friedrich Dürrenmatt lebt in St. Gallen UND in München. Und so weiter und so fort.

Natürlich bin ich neidisch. Ich lebe nur in München. Ich kann mir keinen zweiten Wohnsitz leisten. Ich kann auch schlecht angeben, in München UND in Untereßfeld zu leben. Weil es nicht stimmt. Ich lebe in München, ich komme im Schnitt alle sechs bis acht Wochen nach Untereßfeld. Ich schlafe dann zwar meistens in meinem alten Zimmer, aber auf einem Ausziehsofa, das meine Eltern für mich und andere Gäste gekauft haben, und das definitiv zur Förderung eines Bandscheibenvorfalls beiträgt. Außerdem sieht mein Zimmer auch nicht mehr wirklich aus wie mein Zimmer, weil seit einigen Jahren der Computer meiner Eltern hierher ausgelagert wurde, und mein Vater hier bei Ebay surft. Das ist zu wenig für einen Zweitwohnsitz, wir bräuchten hier schon mindestens eine Ferienwohnung. Gibt's in Untereßfeld aber nicht. Abgesehen davon, dass Untereßfeld weder Ibiza noch Guatemala noch St. Gallen ist. Eher Eckernförde.

Praktisch gesehen, machen zwei Wohnsitze aber auch nur Ärger. Man braucht alles doppelt, angefangen beim Schlafzimmerschrank bis zum Klopapier. Wenn man an dem einen Wohnsitz ist, muss man sich trotzdem um den anderen kümmern: Gießt jemand die Blumen, hat man dort überhaupt Pflanzen oder lohnt sich das überhaupt? Haben wir beim letzten Mal eigentlich den Herd ausgemacht? Blöd, dass Guatemala und Ibiza so weit entfernt liegen, kann man nicht einfach mal nachgucken. Und immer muss man seine Sachen mit sich rumschleppen und vermisst dann wahrscheinlich auf Ibiza irgendeine Sache, die man in Guatemala liegen gelassen hat. Blöd. Außerdem riecht es auf Ibiza in den ersten Tagen vielleicht noch muffig, weil so lange nicht gelüftet wurde, und außerdem ist der Kühlschrank leer und wahrscheinlich kommt man Samstagnacht an und kann den ganzen Sonntag nicht einkaufen.

Menschen, die sich zwei oder mehr Wohnsitze leisten können, haben diesen Ärger natürlich nicht. Die haben Putzfrauen, Haushälterinnen und persönliche Assistenten, die sich um sowas kümmern. Ob meine Mutter unseren Zweitwohnsitz in Untereßfeld ab und zu mal lüften würde, wenn wir einen hätten? 

Mittwoch, 25. Februar 2009

J.R. Moehringer: Tender Bar

Erinnert sich noch jemand an "Cocktail", diesen sehr vorhersehbaren, einfach gestrickten Film mit Tom Cruise aus dem Jahr 1988? Weder ist er ein Meilenstein der Filmgeschichte noch wirft er ein strahlendes Licht auf Cruises schauspielerisches Talent - aber ich liebe ihn und habe ihn seit 1990 oder 1991 mindestens 200 Mal gesehen. Ich kann alle Dialoge mitsprechen und heule mir spätestens ab der Aufzugszene ("Fass sie nicht an, sie ist schwanger!") die Augen aus.

Für alle, die jetzt nicht ganz folgen können: In "Cocktail" spielt Tom Cruise das Milchgesicht Brian Flanagan, das erst als Barkeeper groß raus kommt und dann natürlich die große Liebe findet (Elisabeth Shue). Und am Ende kriegen sie auch noch Zwillinge. 
Tender Bar hat mich schwer an den Anfang dieses Films erinnert: Da landet Brian Flanagan nach harten Monaten in der Armee und einer langen Busfahrt endlich wieder in New York und kurze Zeit später in der Kneipe von Onkel Pat in Queens. 

Tender Bar ist wie Pats Kneipe: Unprätentiös, bodenständig – nicht wie die Schickimicki-Bars in denen Brian Flanagan dann arbeitet.

J.R. Moehringer – im Erstberuf Reporter, er hat schon einen Pulitzerpreis – hat hier einfach nur getan, was er wahrscheinlich am besten kann: Er hat aufgeschrieben, was er sah, hörte und fühlte. Man kann das Duftgemisch aus Burgerfett, Alkoholfahnen und Zigarettenrauch riechen. Man ist kurz davor, Onkel Charlie zerknitterte Dollarscheine über den Tresen zu schieben, mit Dalton über Rilke zu philosophieren oder Bob the Cop ein Buch zu leihen. Man wünscht sich nichts sehnlicher als im Umkreis von maximal zwei Kilometern genau diese Kneipe zu finden, um sich dort an die Theke zu ketten.

Und wenn es stimmt, was Moehringer im Nachwort schreibt, ist nicht einmal eine Zeile erfunden, sind nicht einmal die Namen geändert. Diese skurilen, verrückten, liebenswerten Menschen hat es wirklich gegeben oder es gibt sie sogar noch. Was für die wenigsten Menschen allerdings existiert, ist eben eine Kneipe genau wie diese. Ein verlängertes Wohnzimmer, fast rund um die Uhr besetzt mit Menschen die dich kennen, mögen und die dir zuhören. Als ich das letzte Mal eine Kneipe besuchte, ohne mich vorher dort mit einer bestimmten Person zu verabreden, war ich 19. Ich brauchte mich nicht zu verabreden, weil es sowieso nur diese eine Kneipe gab und damit keinen anderen Ort, an dem man seinen Abend verbringen konnte. Ich trauere diesen Zeiten nicht hinterher, aber es wäre schön, sowas mal wieder zu haben.

J.R. Moehringer hat es auch nicht mehr, aber er hat dieses Buch geschrieben. Das, auch wenn es melancholisch, fast traurig endet, sich so liest, wie ein milder, honigfarbener Single Malt schmeckt.

J.R. Moehringer. Tender Bar. Fischer, 2008. (Engl. The Tender Bar, 2005)

Montag, 16. Februar 2009

Ohne mich

Bücher, die ich nicht lesen werde:

P.S. Ich liebe Dich, und alle anderen Schmonzetten in blauen Einbänden mit Wolkenschrift.

Der Herr der Ringe, alle drei Teile. Die Filme fand ich gut, beim Buch bin ich bei Tom Bombadil stecken geblieben. Kenner wissen, dass das kurz hinterm Anfang ist. Ich hab's halt nicht mit Fantasy. Außerdem war Tolkien Sprachwissenschaftler und Sprachwissenschaft hab ich nach dem Grundstudium abgewählt. Mit großer Erleichterung.

Der Schwarm. Es muss auch Leute geben, die es nicht kennen. Ich opfere mich.

Mehr Bücher von Pascal Mercier. Es muss Leute geben, die Nachtzug nach Lissabon nicht mögen. Ich opfere mich.

Mehr von Ilkidiko von Kürthy. Siehe blauer Einband/Wolkenschrift. Bin einfach nicht Zielgruppe.

Alles von Stephenie Meyer. Meine Angst, "Most harmless Vampire of the World" Edward Cullen für den Rest meines Lebens zu verfallen, ist zu groß. Diese Peinlichkeit möchte ich mir gerne ersparen. Immerhin werde ich bald 30 und falle ungern in mein 13-jähriges Ich zurück.

Feuchtgebiete. Über Hämorriden schreiben  kann ich selber. Wenn auch für weniger Kohle. Dafür mit ähnlicher Reichweite.

Die Wanderhure. Geht einfach nicht. Es muss Leute geben, die das nicht lesen KÖNNEN. Ich opfere mich.

(To be continued)

Mittwoch, 11. Februar 2009

Richard Yates: Zeiten des Aufruhrs

Ich bin vorsichtig mit Verfilmungen. Es gibt Bücher, die berühren mich so sehr, dass ich mir die Verfilmung nicht ansehen kann, so gut sie auch sein mag. Dann möchte ich allein sein mit meiner Vorstellung von der Geschichte und den Charakteren, und nicht sehen, was ein anderer daraus gemacht hat. "Atonement" (Abbitte) von Ian McEwan ist so ein Fall, und es liegt nicht einmal an Keira Knightley, dass ich den Film nicht sehen möchte - ich möchte mir einfach nicht das einzigartige Gefühl kaputt machen lassen, das ich beim Lesen hatte.

Manchmal haben Verfilmungen aber auch den Vorteil, dass sie einen erst mit einem guten Buch bekannt machen. Und so greife ich im Hugendubel zielstrebig nach der Neuauflage von "Zeiten des Aufruhrs", und einen Tag später läuft die Verfilmung im Kino an. Noch bevor ich die erste Seite aufschlage, haben sich Kate Winslet und Leonardo diCaprio natürlich schon in mein Gedächtnis eingebrannt, sind die Figuren Fleisch geworden, bevor ich mir überhaupt eine Vorstellung von ihnen machen kann.

Zu allem Übel schaue ich mir den Film an, als ich das Buch gerade erst zur Hälfte gelesen habe.

Und, das spricht sowohl für den Film als auch für das Buch: Es macht nichts. Beide sind großartig.

Es gibt Bücher, die verraten sehr schnell sehr viel: Ob sie von einem Mann oder einer Frau geschrieben wurden, in welcher Zeit, mit welcher Haltung. Viele Bücher sind so. Dieses nicht. Es spielt im Jahr 1955, aber die Ereignisse könnten genauso gut 2009 stattfinden. Es wurde 1961 veröffentlicht, hätte 1981 aber genauso gut gepasst wie 1991 oder 2001.

Diese Geschichte spielt immer in der Gegenwart und das macht sie so traurig.

April und Frank - das klingt nach trällernder Hausfrau und bodenständigem Ehemann. Beide sind fast 30, seit sieben Jahren verheiratet, haben zwei Kinder, sind vor einigen Jahren aus der Groß- in die Vorstadt gezogen. Und damit in die Enttäuschung. Die Versprechungen, mit denen ihre Ehe begann wurden nie eingelöst. Das Bild, das sie voneinander haben bröckelt. Die Erwartungen aneinander sind zu hoch, um sich je zu erfüllen.

Rettung verspricht ein Umzug nach Paris. Lass uns einfach weggehen, neu anfangen, endlich so sein, wie wir wirklich sind, schlägt April vor. Und erkennt nur langsam: Frank ist schon längst so, wie er wirklich ist. Die Rolle des empfindsamen Intellektuellen, der in einem langweiligen Bürojob gefangen ist, spielt er nur. Für sie.

Doch April und Frank planen ein Leben in Paris. In ihrer naiven, fast kindlichen Aufregung und Vorfreude erinnern sie fast zu deutlich an die vielen deutschen Familien, die seit einiger Zeit begleitet von diversen Fernsehsendern das Land verlassen. In Neuseeland endlich neu anfangen. In Norwegen endlich mehr Geld verdienen. In Braslilien endlich den Traum von der eigenen Bar verwirklichen. In Kanada endlich die Beziehung kitten.

In Paris endlich die Menschen werden, die wir immer sein wollten.

April und Frank werden es nicht schaffen. Ihre Geschichte endet tragisch. Als das Buch schon einige Tage im Regal steht und ich längst ein neues angefangen habe, frage ich mich, welches Ende die Zeiten des Aufruhrs gefunden hätten, hätten April und Frank es doch nach Paris geschafft.

Wahrscheinlich ein noch tragischeres.

Richard Yates. Zeiten des Aufruhrs. DVA, 2008. (Engl. Revolutionary Road, 1961)

Freitag, 6. Februar 2009

Jodi Picoult: Beim Leben meiner Schwester

Jodi Picoult ist eine Meisterin: Ihre Bücher wirken an der Oberfläche immer ein bisschen banal, die Figuren ein bisschen zu glatt, die Dialoge ein bisschen sehr gestelzt. Das ist auch bei diesem Buch so, selbst wenn man wie hier von Beginn an weiß, dass das Thema das Banale, Glatte, Gestelzte bald aufrauen und dann brechen wird.

Die Fitzgeralds könnten eine Vorzeige-Familie sein, wie sie da in ihrer Neuengland-Idylle leben - der Vater starker, aber sensibler Feuerwehrmann. Die Mutter immer für die Kinder da. Zwei hübsche Töchter, ein Sohn. Doch die Indian-Summer-Kulisse spielt nur Idylle für ein Leben, das schon lange nicht mehr idyllisch ist. Das zweite Kind der Fitzgeralds, die Tochter Kate, erkrankt mit zwei Jahren an einer hochaggressiven Form von Leukämie. Um sie zu retten, zeugen die Fitzgeralds noch ein Kind, ein sogenanntes Designer-Baby, das genau zu Kate passt - mit den Stammzellen aus seiner Nabelschnur soll sie gerettet werden. Allein das Thema hätte schon gereicht für einen Roman, aber Picoult dreht es weiter und weiter, und plötzlich schlage ich nur atemlos die Seiten um.
Die Geschichte wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt, alle Figuren kommen zu Wort. Am eindringlichsten erzählt Anna, mittlerweile 13 Jahre alt, die seit sie denken kann für ihre (immer wieder kranke) Schwester Stammzellen spendet. Nur weil Anna da ist, kann Kate überleben. Und jetzt soll sie ihr eine Niere spenden, doch Anna will nicht mehr und nimmt sich einen Anwalt.
Dieses Buch macht es einem schwer, eine Seite zu beziehen, und das ist gut. Man gibt Anna recht, die endlich ein normales Leben führen will, und unter der Last, ständig als Lebensretterin verfügbar sein zu müssen, wahnsinnig leidet. Aber man versteht auch die Mutter, die alles tun will, um ihr Kind vor dem Tod zu retten, den Vater, der loslassen möchte, den Sohn, den alle immer vergessen. Wer meint, hier einen klaren Standpunkt beziehen zu können, hat vieles nicht verstanden.

Ich mag das Buch, weil es es einem nicht einfach macht und sich trotzdem aufregend liest. Außerdem gibt es als Subplot eine rührseelige, aber nette Liebesgeschichte, die mir wiederholt das Wasser in die Augen getrieben hat.

Die wahre Meisterleistung ist aber der Schluss - unvorhersehbar, überraschend, erschreckend. Ich war ehrlich aufgewühlt - und froh, dass ich danach in der Kneipe verabredet war und mich bei einem Guiness beruhigen konnte.

Großartiges Buch.

Jodi Picoult. Beim Leben meiner Schwester. Piper, 2007. (Engl. My Sister's Keeper, 2004)

John Banville: Die See

Der zweite Booker-Prize-Gewinner, den ich nicht mag. Bei "The Inheritance of Loss" von Kiran Desai schob ich es noch auf mangelndes intellektuelles Verständnis meinerseits. Auch war mir hinterher klar, dass man ein solches Buch nicht bei 26 Grad am Pool lesen sollte. Booker-Prize-Gewinner brauchen eine andere Stimmung - kühler, windiger, alles eher in braun und grün gehalten.

Damit konnte ich bei "Die See" (ich habe die deutsche Übersetzung gelesen) schon mal dienen: Es war Januar, draußen kühl, windig, braun-grün. Trotzdem hat es mir nicht gefallen.

Zeitungsleser, so wird Journalisten immer wieder eingebleut, stellen sich unterbewusst bei jedem Artikel die Frage "Warum soll ich das lesen?" Diese Frage soll der Autor möglichst schnell beantworten, aber dalli, sonst steigt der Leser nämlich aus.

Dem einen oder anderen Schriftsteller könnte man mal stecken, dass sich ihre Klientel genau das bisweilen auch fragt.

Ich frage also: Mr. Banville, warum soll ich das lesen?
Mr. Banville: schweigt.

Ich: Also gut, da ist also Ihr Ich-Erzähler, der sich Max nennt, aber anscheinend nicht so heißt, egal. Er hat seine Frau verloren, er versteht sich nicht mit seiner Tochter, er verdient sein Geld mit Biografien über Künstler, die keiner kennt. Um über den Verlust seiner Frau hinwegzukommen, mietet er sich in einer Pension an der irischen Küste ein. Hier hat er vor einem halben Jahrhundert als etwa Elfjähriger mit einer befreundeten Familie einen denkwürdigen Sommer verbracht - alles ein bisschen schwülstig, denn einerseits fühlte er sich zu den großen, weichen Brüsten der Mutter, andererseits zur knochigen, knabenhaften Tochter hingezogen (typische Alt-Männerphantasie, mir fallen gleich die Augen zu). Es gibt noch einen Bruder, der nicht spricht, Gründe werden keine genannt, und irgendwann gehen die Geschwister - die natürlich symbiotisch, liebespaarmäßig verbunden sind - gemeinsam ins Meer. Der Ich-Erzähler fühlt sich irgendwie schuldig. Am Ende besäuft er sich und landet auch fast im Meer, also in der See, wird aber gerettet, irgendwie.
Das alles also habe ich gelesen und mich auf jeder Seite gefragt: warum eigentlich. Haben Sie eine Antwort? Hallo? Mr. Banville?

Mr. Banville: schweigt. 218 Seiten lang. Sehr kleine Schrift.


John Banville. Die See. Goldmann, 2008. (Engl. The Sea, 2005)

Alan Bennett: The Uncommon Reader

Die Idee ist so zauberhaft wie unrealistisch: Bei dem Versuch, ihre Corgies einzufangen, entdeckt die Queen am Buckingham Palace einen Bücherei-Bus, der am Kücheneingang neben den Mülltonnen (!) parkt.

Aber bevor ich darüber noch den Kopf schütteln konnte, hat er mich schon gekriegt, der Mr. Bennett. Aus Höflichkeit leiht sich die Queen ein Buch aus - weil sie von Literatur überhaupt keine Ahnung hat, nimmt sie einfach einen Roman, dessen Autorin sie kennt ("I made her a Dame!"), findet das Buch zwar todlangweilig, leiht sich aber gleich wieder eines aus.

Von nun an liest die Queen und liest und liest und liest. Das ganze wird noch ein bisschen absurder, als sie sich mit dem rothaarigen, sehr belesenen Küchenjungen Norman anfreundet. Norman beginnt, die Queen bei der Literaturauswahl zu beraten, und weil Norman auch sehr schwul ist, ackert sie sich brav durch die Werke einer ganzen Menge homosexueller Schriftsteller. Von da an kein Halten mehr: Legt die Queen ein Buch aus der Hand, dann nur, um das nächste zu beginnen - immer argwöhnischer beäugt von Prinzgemahl, Personal und Privatsekretär.

Am zauberhaftesten ist dieses kleine Buch, wenn die Queen traurig erkennt, was sie alles verpasst hat: Was für anregende Gespräche hätte sie mit all den Schriftstellern führen können, die sie getroffen hat. Sie kannte Katherine Mansfield, T.S. Eliot, Philip Larkin, Ted Hughes - nie hatte sie gewusst, was sie sagen sollte, nie hatte es sie interessiert, was die Schreiber ihr erzählten. "What a waste", bedauert sie.
Aber ganz geschmeichelte ältere Dame sie ist gerührt, als sie in E.M. Fosters Biografie liest, dass er sich fast in sie verliebt hätte - wäre sie denn ein Junge gewesen. Dabei hatte sie ihn damals so komisch gefunden mit seiner kleinen Stimme und den aneinander gepressten Händen.

Meine Lieblingsstelle ist, als die Queen ins Sinnieren gerät und dann zu Norman sagt: "Do you know the area in which one would truly excel?" (...) "The pub quiz. One has been everywhere, seen everything and though one might have difficulty with pop music and some sport, when it comes to the capital of Zimbabwe, say, or the principal exports of New South Wales, I have all that at my fingertips."

Und die Selbstverständlichkeit mit der die Queen von sich selbst grundsätzlich als "One" spricht, ist so großmütterlich-rührend, das meine zarte, versteckte Monarchisten-Seele sofort aufhorchte.

Gegen Ende wird der Zauber leider etwas matt, die Konstruktion noch konstruierter. Plötzlich will die Queen selbst schreiben, aus Genuss wird Ambition. Das geschieht so abrupt - aber mit 120 Seiten ist das Buch ja auch nicht sehr lang - dass ich ein bisschen verärgert war.



Schade. Aber trotzdem ein sehr feines, kleines Buch.



Alan Bennett. The Uncommon Reader. Profile Books, 2007. (Dt. Die souveräne Leserin)